Wie im Thread Ideen für die Forenstruktur schon angesprochen, schlage ich vor, aktuellere Genrefilme, die gerade im Kino, auf DVD/BR oder VoD erschienen sind, hier zu besprechen, statt im Thread Letzter Film, den ich gesehen habe. Auf diese Weise erhält man Tipps, die man im Kino vielleicht sonst verpasst hätte bzw. erspart sich eventuelle Enttäuschungen. Wem die Idee gefällt, der liked – und schreibt.
Was heißt „Genrefilme“? Grundsätzlich Filme, die auch auf dem FFF laufen könnten, vom Arthousedrama mit übernatürlichen Elementen über den klassischen Horror bis zum Blockbusterthriller. Was uns hier eben so interessiert.
Was heißt „aktuell“? Ich denke, es macht Sinn, hier über Filme zu sprechen, sie zu reviewen und zu empfehlen (oder von ihnen abzuraten), die nicht älter als etwa ein Jahr sind und innerhalb der letzten Tage, Wochen oder Monate veröffentlicht wurden.
Ich mache mal den Anfang mit…
Remake/Upgrade/Reboot des 80er-Hits, das genauso seicht, flach und harmlos daherkommt wie das Original – nur mit besseren Tricks. Die meisten Gags versanden und nur ein paar Szenen sind wirklich lustig, überraschenderweise die mit Chris Hemsworth (und Newcomerin KateMcKinnon). Alles in allem durchschnittliche, aber wenigstens kurzweilige Blockbusterunterhaltung mit ein paar netten, aber auch bemühten Hinweisen auf das Original.
Interessanter Effekt am Rande: Der Film überschreitet bei einigen Szenen die schwarzen Balken ober- und unterhalb der Leinwand und nutzt sie für einen zusätzlichen 3D-Eindruck, bei einer Sequenz wird es sogar formatfüllend. Dieses Spiel mit dem Format war m. E. zum letzten Mal bei Sam Raimis OZ-Remake zu sehen.
Die Bourne-Filme waren von 2002 bis 2007 tonangebend für den Actionfilm und zeigten unter anderem Daniel Craigs Bond die Richtung. Nach dem gefloppten Spin-off mit Jeremy Renner (das übrigens auf IMDB aktuell eine bessere Metascore-Bewertung vorweisen kann als der neue Film), bestand berechtigte Hoffnung, dass das alte Team um Paul Greengrass und Matt Damon Bourne wieder auf die Spur bringen würde. Das Gegenteil ist der Fall: Es ist kaum zu glauben, dass der Regisseur intelligenter Thriller wie CAPTAIN PHILLIPS und UNITED 93 diese banale Story, diese platten Dialoge und diese klischeehaften Charaktere mitverantwortet.
Der Versuch, mit allgegenwärtiger Onlineüberwachung und Privatsphärenpanik dem Film so etwas wie Relevanz zu verschaffen, wirkt reichlich aufgesetzt – selbst die letztjährige HOMELAND Staffel hat heute noch mehr Aktualität. Und statt der harten realistischen Action der früheren Filme werden hier nur noch übertriebene Materialschlachten im Schnittgewitter geliefert, die durch den immergleichen treibenden Score an Spannung gewinnen sollen, auf Dauer aber nur ermüden. So ist der ganze Film „dumbed down“ und „sped up“ – was man einem durchschnittlichen Nobrainer-Blockbuster gerne verzeiht, aber nicht einem JASON BOURNE.
Von der Idee her eine Art PURPLE ROSE OF CAIRO des Slasherfilms, hat THE FINAL GIRLS sehr nette Ideen, von denen ein paar wenige auch gut im Film funktionieren (z. B. wenn die Darsteller in ein s/w-Flashback gebeamt werden), viele jedoch nur auf dem Papier.
Außer der Film-im-Film-Metaebene mit all seinen Slasherklischee-Kommentaren hat TFG nämlich leider nicht so viel eigenes zu bieten, der Humor ist recht flach und redundant (ja, in den 80ern gab es noch keine Smartphones, haha), Spannung kommt keine auf, weil die Regeln dieser Parallelwelt nicht wirklich klar sind, und einzig die Mutter-Tochter-Beziehung hält das emotionale Involvement aufrecht. Fazit: Einigermaßen kurzweilige Unterhaltung für Genrefans, aber kein Vergleich mit einem CABIN IN THE WOODS.
Die meisten modernen Horrorfilme folgen einem klassischen Aufbau: Nach einem schockierenden Auftakt folgt ein tendenziell ruhigeres Setup, bis dann nach und nach die Spannungsmomente zunehmen und sich bis zum Finale steigern. Alistair Legrands Debut startet mit einer der vielleicht gruseligsten Erscheinungen seit THE RING und bleibt danach unberechenbar.
Auch wenn die Motive des Films nicht neu sind und das Ende durch die Schlussszenen etwas abfällt, tragen Atmosphäre, Sounddesign, ungewöhnliche Aufnahmen und das Spiel mit Genreerwartungen insgesamt zu einem sehr effektvollen Horrorerlebnis bei. Die unerklärlichen Ereignisse und die ungeklärte Familiengeschichte sorgen für innere wie äußere Spannung und am Ende wird tatsächlich alles überraschend und genregerecht schlüssig aufgelöst. Es ist schwer verständlich, warum THE DIABOLICAL (4.7/25) auf IMDB so viel schlechter bewertet wird als der zumindest teilweise ähnlich gelagerte THE BABADOOK (6.8/86). Für mich eine kleine übersehene Heimkinoperle.
Wenn man schon eine so schön simple, klare Storyline wie THE DIRTY DOZEN meets ESCAPE FROM NEW YORK klaut, ist es eine echte Leistung, daraus so ein hektisches und chaotisches Durcheinander zu fabrizieren. Aber man sieht ja hier keinen Unterhaltungsfilm, sondern ein Marketingprojekt für mindestens zwei Nachfolgefilme – und diesen Kraftakt spürt man deutlich.
Wenigstens ist der SUICIDE QUATSCH nicht ganz so düster und schwerfällig geworden wie der letzte DC Unfall DAWN OF JUSTICE und das liegt fast ausschließlich an Margot Robbie, die in der Rolle der charmant durchgeknallten Harley Quinn völlig aufgeht und bei der ein einzelnes Kopfwackeln schon mehr Spaß macht als all die austauschbaren Ballereien und CGI-Blitze zusammen. Der groß gehypte neue Joker Jared Leto hat in seinen wenigen Gastminuten dagegen kaum Zeit, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen – wohl auch nur ein Teaser für JUSTICE LEAGUE und Co.
Einen ganz guten Einblick in die Produktionsgeschichte (und die aktuelle Entwicklung in Hollywood) gibt es hier bei SPIEGEL Online.
Es ist immer wieder erfreulich, wenn ein Film von meiner Watchlist, dessen Veröffentlichung in Deutschland noch nicht mal angekündigt ist, plötzlich unvermittelt bei einem Streamingdienst meines Vertrauens – in diesem Falle Netflix – auftaucht.
HUSH ist eine echte Genreperle, was nicht weiter verwundert, stammt er doch von Mike Flanagan, der mit ABSENTIA und OCULUS bereits zwei sehr atmosphärische, intelligente Ausnahmehorrorfilme inszeniert hat. Prämisse und Setting sind zunächst nichts besonderes – der (Home Invasion) Thriller mit psychisch oder physisch eingeschränkten meist weiblichen Opfern ist ja schon fast ein eigenes Subgenre geworden – von WAIT UNTIL DARK über SEE NO EVIL bis zu BLINK und MUTE WITNESS sowie RESTRAINT und DEADLY HOME.
Was HUSH jedoch so außergewöhnlich macht, ist, dass er sein Thema im Rahmen der selbst gesteckten Genregrenzen komplett realistisch ausspielt – und zwar verdammt brutal. Hier gibt es keine künstlichen Twists und keine kreativen HOME ALONE-Fallen, hier geht es ums nackte Überleben. Da kann der verzweifelte Versuch, eine Armbrust zu spannen, schon mal die letzten Nerven kosten. Sowohl Täter als auch Opfer sind clever, jede ihrer Handlungen ist nachvollziehbar, beide gehen bis zum Letzten, jede Verletzung tut weh, jeder Todesfall ist tragisch, jeden Moment kann alles passieren. Das macht HUSH teilweise extrem spannend. Das Beste aber ist – endlich mal wieder ein Genrefilm, in dem man sich keine Sekunde über die Protagonisten ärgern muss.