Climax (Spoiler)

Heidewitzka, was eine Schlittenfahrt! Mir war zwar nach Trailer-Sichtung von vornherein klar, dass es da auf der “Party” eskalieren wird, war aber dann doch etwas geplättet ob des Gezeigten. Im Nachhinein liegen die Karten jedoch ganz klar auf dem Tisch, schließlich hat man es hier mit einem Gaspar Noe Film zu tun. Und wann hat dieser schon mal was allgemein verträgliches oder lebensbejahendes abgeliefert? Ganz schön brutale Handschrift.

Wollte mal die Gelegenheit nutzen, einige Aspekte des Films anzusprechen. Ich versuche mal, alle Ereignisse zusammenzukriegen. Für mich kippte die Stimmung spätestens an dem Punkt, als es den Faustschlag und den Tritt in den Unterleib der schwangeren Frau gab. Ab da wurde die Atmosphäre zunehmend düsterer und bedrückender und die Marschrichtung vorgegeben: Achtung, Sie sehen einen Gaspar Noe Film!

Einer weiteren Protagonistin flämmen nach einer handfesten Auseinandersetzung die Haare ab. Eine andere durchlebt einen Horrortrip. Die Katastrophe mit dem eingeschlossenen Tito zeichnet sich ab. Auch das Drama mit dem Ausgeschlossenen. Dazwischen viel unerfüllte Liebe und ein inzestiöses Verhältnis. Hab ich was vergessen?

Wer im Endeffekt die Sangria mit LSD angereichert hat, wurde mir nicht ganz klar aber vielleicht sollte das gar nicht aufgelöst werden?

Etwas sehr heftig fand ich die Reaktion der Schwangeren, als alle im Wahn auf sie einredeten, sie solle das Kind “abtreiben”. Sicher, der Stressfaktor war in dem Moment hoch aber das ist dann ja doch eine sehr heftige Reaktion. Andererseits hätte diese Handlung nicht zu der weiteren Eigenverletzung geführt, die unmittelbar darauf folgte, erzähltechnisch gesehen. Oder hat sie zu dem Zeitpunkt schon gemerkt, dass durch den Tritt zuvor, das Kind gar nicht mehr ohne bleibende Schäden zur Welt kommen würde?

Also, mehr Midnight Madness als hier geht wohl nicht. Auch das Publikum war am Ende unüberhörbar und sichtlich geschafft. Es gab auch vereinzelte “walk outs” zu verzeichnen, wobei ich das nicht genau beurteilen kann, weil ich nicht beobachtet hatte, ob betreffende Personen vll. nur die Toilette aufgesucht hatten und den Raum wieder betreten hatten. Verständnis hätte ich dafür gehabt, der Film verlangt einem schon ziemlich viel ab und das könnte nicht für jeden was sein. Mir schnürte es auch einige Male die Kehle zu.

Was ich vielleicht nicht ganz verstehe ist, weshalb nicht mal einer, zumindest von den Nüchternen, einen Krankenwagen oder die Polizei gerufen hat. Schon klar, draußen tobte ein Schneechaos aber trotzdem.

Stelle gerade fest, dass ich sehr mit den Namen der Protagonisten durcheinander komme…

Also, eigentlich kippte die Stimmung ja schon ins hysterische mit dem Rauswurf von ? in den Schnee. Aber mit dem Tritt in den Magen (der sich bei mir auch genau so angefühlt hat), war dann endgültig klar, dass der Rest der Reise sehr schmerzhaft werden wird…

Wer das LSD in die Sangria getan hat, wurde doch am Ende eigentlich ziemlich deutlich? “Brienne von Berlin” hatte doch in ihrem Interview von Ihrer ehemaligen “Mitbewohnerin” erzählt, die sich mittlerweile sogar LSD ins Auge tröpfeln würde. Nun, letztlich scheint Sie da ja von sich selber gesprochen zu haben, dazu noch das Buch in Ihrer Tasche, “LSD Psychotherapie” oder sowas in der Art.

Das mit dem fehlenden Hilferuf fand ich erst auch etwas merkwürdig, aber letztlich waren alle ziemlich druff, und der Film ist zeitlich Mitte der Neunziger angesiedelt, also noch vor der Handy-Ära. Und ich wüsste nicht, dass ich sonst irgendwo ein Telefon gesehen hätte.

Das mit Tito war zwar ab dem Zeitpunkt, als seine Mutter ihn eingeschlossen hat, leider absehbar, aber ich hatte es doch eher als traurigen “Climax” am Ende erwartet. Nun, eigentlich hätte ich das besser wissen müssen, aber die unvermittelten, trockenen Ausrufe, dass Tito jetzt geröstet sei, taten in dem Moment trotzdem noch sehr weh.

Eine der Fragen, die sich uns so am Rand gestellt haben: Warum hatte Daddy auf einmal lange, blonde Haare? Waren die alle unter seiner Mütze versteckt?

Welche der Filme und Büchern hast du bei den Interviews am Rand gesehen? Mir sind nur Suspiria, Querelle, Zombies, Salo und Der andalusische Hund in Erinnerung. Bei den Büchern nur irgendwas mit Fritz Lang.

Das Publikum erschien mir in Köln auch eher gestresst, am Ende strömten die meisten Leute ziemlich schnell aus dem Saal, was ich zwar gut nachvollziehen kann, aber unterm Strich auch etwas Schade fand. Ja, Climax hat einem sehr viel abverlangt, aber für mich gehört er defintiv zu den besten Filmen des bisherigen Jahres. Hätte da doch auch etwas Applaus erwartet.

Ich glaub, der Großteil war einfach viel zu geschafft für einen „fröhlichen“ Applaus.

Gute Erklärungen! Na, dann hab ich Doof die Schluss-Pointe nur zur Hälfte gerafft. Natürlich war mir das Anfangs-Gespräch der Berlinerin noch im Kopf, dass sie Abstand haben wolle von ihrem Umfeld, insbesondere ihrem Mitbewohner, der sich inzwischen Acid ins Auge träufeln würde. Und am Ende tut genau sie DAS. So weit, dass sie die Sangria damit noch angereicht hat, habe ich gar nicht gedacht. Aber macht natürlich Sinn.

Auch die Ansiedlung Mitte der 90er vor dem Hintergrund der Noch-nicht-alle-online-Ära hatte ich gar nicht auf dem Schirm aber erklärt einiges. Danke für die Nachhilfe!

Daddy mit blonden Haaren? Das war doch ziemlich offensichtlich eine Bast-Perücke, die auch mehrfach auf seinem Haupt verrutschte. Sofern Du mit „Daddy“ den schwarzen Dicken meinst. Oder vertue ich mich? Dass man die Namen nicht drauf hat, ist ja klar bei 20 Protagonisten und einer Einmalsichtung.

Das wäre dann eine typische Nerd-Aufgabe. In Erinnerung hab ich ebenfals lediglich Suspria und das Buch von/über Fritz Lang. Auf jeden Fall müssen all diese Werke dem Regisseur etwas bedeuten (logisch), denn ich sah grad neulich noch, dass Salo zu einem seiner Lieblingsfilme gehört.

Wie gemein! Dachte ich mir, ein Screenshot der Interview-Situation aus dem Trailer würde hier Auskunft bieten, muss ich feststellen, dass der Bildauschschnitt dort ein anderer ist. Naja, dann warten wir ab, das Standbild wird sicher bald auf den einschlägigen Filmnerd-Seiten auftauchen. Oder aber, die FFF-Gemeinde, die ihn noch zu sehen bekommt, macht ein Foto. Aber auf eigene Verantwortung! :smile::smile:

Ich meine, in den Opening-Credits stand ein kurzer Hinweis, dass er Film auf wahren Begebenheiten einer Tanztruppe aus den 90ern beruhen würde. Aber abgesehen davon war Großteil des Soundtracks aus dieser Zeit, hab mich ein bisschen in meine Zeit als Technokid zurückversetzt gefühlt. Gleicher Sound, ähnliche Parties, allerdings mit deutlich weniger schlimmen Katern am nächsten oder übernächsten Morgen :joy:

Genau, der dicke schwarze DJ. Aber das war am Ende doch keine Bastperücke, oder? Er hat damit doch sogar noch eine flotte Sohle aufs Parkett gelegt und die saß wie angegossen. Wir waren uns alle vier sicher, er hätte auf einmal eine blonde Mähne gehabt, die vorher nicht da war…

Verdammt^^ Aber ich denke auch, dass das früher oder später noch auf der ein oder anderen Seite diskutiert wird. Ansonsten warte ich bis zur Zweitsichtung im Heimkino :wink:

(Übrigens nicht von der Leinwand abfotografiert.)

Haha, das ging schnell! :+1:

Dann mal von oben (beschränke mich jetzt mal auf den rechten Filmstapel):

Le droit du plus fort - Fox and His Friends (1975)
Sagt mir nichts. Rainer Werner Fassbinder, deutscher, kerniger Titel: Faustrecht der Freiheit. Die IMDb spuckt zwar noch zwei andere Treffer aus (Under the Gun, 1988, 80er Jahre Action) (Gun Law, 1933, Western) aber ich glaube, die sind es nicht… :smile::smile: Außerdem trau ich dem Noe auch mehr den Fassbinder zu. :wink:

La Maman et la Putain - The Mother and the Whore (1973)
Französischer Film. Sagt mir nichts.

Possession (1981)
Seit Eeeewigkeiten auf meiner Watchlist.

Salo (1975)
Fieser Film

Un Chien Andalou - Ein andalusischer Hund (1929)
Surrealistischer Kunstfilm

Querelle (1982)
Nochmal Fassbinder. Mir ebenfalls unbekannt.

Vibroboy (1994)
Kurzfilm

Inauguration of the Pleasure Dome (1954)
Skurill anmutender Kurzfilm

Harakiri (1962) oder aber Harakiri (1919, Fritz Lang)

Suspiria (1977)
Bekannter Horror-Klassiker von Dario Argento

Zombie (1979)
Bekannter Horror-Klassiker von Lucio Fulci

Schizophrenia - Angst (1983)
Gilt als “harter Brocken”. Passt zu Gaspar Noe.

Labyrinth Man - Eraserhead (1977)
Ein Lynch Film

Ich find’s doch erstaunlich, wie sehr man anhand der Titel die Handschrift von Gaspar Noe ablesen kann. Kein Titel, der mich wundert, in dieser Auflistung aufzutauchen.

Was könnt Ihr über die Filme sagen?

Omar. Ich nehme an, dass er es auch war, der die Polizei gerufen hat, wenn überhaupt jemand aus der Truppe. Dauerte halt, bis die da waren. Man weiß ja auch nicht, wo sich die Halle befindet. In Paris? In einer Kleinstadt?
Vielleicht hat man ihm auch nicht gleich Glauben geschenkt oder es nicht für nötig befunden, einzuschreiten. Vielleicht war er auch zu geschockt und enttäuscht, der Ausgestoßene zu sein, sodass es eine Weile dauerte, bis er sich entschied, die Party, und was sich dort abspielt, irgendwo zu melden. Ich wäre wohl erstmal heimgegangen und nicht zur Polizei.
Was sich in den Nebenräumen an Dramen abspielte, hat Omar auch nicht mehr mitbekommen, nur das aggressive Verhalten der Berauschten ihm gegenüber im Hauptraum. Da würde ich auch keine Polizei holen, sondern einfach „Leckt mich am Arsch!“ sagen.

Ich glaube, wenn man mit Drogen nie zu tun hatte, ist es schwer einzuschätzen, ob hier professionelle Hilfe nötig ist. Es ist auch für Außenstehende erst mal schwer zu begreifen, was eigentlich los ist, wenn die Stimmung so merkwürdig wird. Ich hatte auch lange nicht die Sangria oder LSD im Verdacht, sondern dachte mir, die drehen aus einem anderen Grund durch.

Und letztlich: Wer ist denn zum Zeitpunkt der Eskalation noch nüchtern? Doch nur noch Omar, der schon außerhalb der Party ist, die Schwangere, die offensichtlich traumatisiert ist und nicht mehr klar bei Verstand, und die Choreografin, die so sehr mit ihrem Kind und der Suche nach dem Schlüssel beschäftigt ist, dass sie alles andere ignoriert. Alle anderen sind voll drauf.

Richtig, „anzeigenwürdig“ war das zu dem Zeitpunkt noch nicht. Aber war es nicht Omar, der im Schnee erforen ist? Eine der letzten Einstellungen. Kann aber auch die Schwangere gewesen sein, weil sie ja nach draußen torkelte.

Edit: Omar wohl dann doch eher nicht, weil er ja stocknüchtern war und man ihm in dem Zustand durchaus zutrauen kann, nach Hause zu finden. Es sei denn, die Halle liegt wirklich irgendwo in der Pampa.

Der Erfrorene war, soweit ich mich erinnere, der Junge mit der Trainingsjacke,- David? Ich könnte es aber nicht beschwören.

Das wiederum war mir durch den Trailer bekannt.

Den hatte ich nicht gesehen. Ich bin da blitzblank rein.

Aber der befand sich doch zu keinem Zeitpunkt außerhalb der Halle oder man es einfach nicht mitbekommen?

Also, Tatsache ist doch, es wird Morgen, die Polizei kommt, und zwar gleich mit Hunden. Es ist also keine zufällige Streife, sondern die Beamten wurden gezielt gerufen. Andererseits können sie aber auch gar nichts mit der Situation anfangen, die sie vorfinden. Allzu viele Infos scheinen sie nicht bekommen zu haben. Ist einer der Tänzer auf Trip vielleicht im Laufe des Films abhanden gekommen, der irgendwo aufgregriffen worden hätte sein können? Ich überlege… fehlt da wer am Schluss oder sind alle da?

Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht mehr, was David macht, nachdem er zusammengeschlagen wurde.Schleppt er sich nach draußen oder bleibt er im Gebäude?

Ich weiß es auch nicht. Gerade am Ende, zum Climax, wird es ja mehr als unübersichtlich. Klar, die Polizeieinheit mit Hunden kam ganz gezielt vorbei. Wer oder was sie im Endeffekt alarmiert hat, ist mir zur Zeit auch noch unklar aber da wird es sicher auch eine Erklärung für geben. Man könnte annehmen, es sei evtl. die erforene Leiche im Schnee gewesen, die sie auf die Spur gebracht hat. Doch das Bild hat ja einen völlig unangetasteten “Tatort” gezeigt, also keine Absperrbänder, Polizisten, etc… Hm, keine Ahnung. Vielleicht hätte die Truppe aber schon längst an irgendeinem verabredeten Treffpunkt sein müssen für ihren anstehenden Abflug in die USA und ein besorgter Bekannter/Verwandter rief die Polizei? Andererseits wäre dann ja nicht eine solche Staffel da aufgelaufen…:thinking:

Aber man schickt doch nicht gleich die Hundestaffel los, wenn sich eine Gruppe junger Erwachsener mal ein paar Stunden verspätet.

Aber jetzt, wo Du es erwähnst, fällt mir was auf: Das scheinen alles Kids ohne jegliche famliliäre Bindungen zu sein (außer das Geschwisterpärchen untereinander) : Weggelaufene, Problemkinder, Außenseiter… Von Familie ist auch in den Gesprächen nie die Rede. Auch nicht, dass irgendwer mit Heimweh zu kämpfen hätte oder die Absicht äußert, vor Abreise mal daheim anzurufen.
Die Choreografin scheint eine Art Ersatzmutter darzustellen (und versagt dabei völlig). Und über allem hängt die Flagge von “La patrie”, die bei allen Anwesenden auch nur Unwohlsein hervorruft.
Entwickeln die vielleicht deswegen so einen Hass auf die werdende Mutter unter ihnen?

Ja, das hab ich auch nicht so ganz geschnallt und ging davon aus, das sie einfach nicht damit einverstanden sind, vom wem sie schwanger ist? Da habe ich der Story aber auch nicht ganz gefolgt, ob der Name des Vaters überhaupt mal irgendwo erwähnt wurde oder überhaupt eine Rolle spielt. Jedenfalls war die einvernehmliche Aufforderung „Treib es ab! Treib es ab!“ schon sehr massiv und strange, Drogenrausch hin oder her.