Ich würde da auf jeden Fall auch Xavier Gens’ „Frontière(s)“ noch mit dazu nehmen - nehme aber an, dass Du den bereits gesehen haben dürftest… der lief (genauso wie „A l’interieur“) ja anno 2008 auf den FFF-Nights. Gefiel mir damals auch recht gut. Hier mal der Link zu meinem damaligen review. Wobei ich das heute vermutlich doch ein wenig anders sehen würde.
„A l’interieur“ ist aber auch super - gerade auch als Weihnachtsfilm (spielt ja um X-Mas rum) mit einer, nun ja, sagen wir mal, etwas „anderen“ Geburt in der Heiligen Nacht . Ich fand den damals auch recht sehenswert, ist auch in seinen vielen Gewaltexzessen oft auch so dermaßen übertrieben und comichaft-überzeichnet, dass man das teilweise gar nicht so richtig ernstnehmen kann. Und Béatrice Dalle natürlich wie immer superb und hier auch ziemlich beängstigend.
Edit-To-Add: Gaspar Noé’s „Seul contre tous“ und vor Allem auch das rückwärts erzählte rape and revenge-Psychodrama „Irréversible“ ließen sich im weiteren Sinne auch dazuzählen… zu Ersterem kann ich nichts sagen, weil ungesehen, den Letztgenannten hatte ich auf dem 2002er-FFF unbedingt sehen wollen, dann aber verpasst, weil ich aus persönlichen Gründen in dem Jahr tatsächlich leider gar nicht auf dem FantasyFilmFest war. Als ich ihn dann ein paar Monate später im 3001 Kino nachholte, fand ich ihn - trotz handwerklich guter bis großartiger Machart - dann so daneben, dass ich beinahe einen walkout gemacht hätte (im Nachhinein wär’ das auch besser gewesen). Viele halten den für ein Meisterwerk, für mich ist der Film leider ein echtes Ärgernis.
Wenn Du „Martyrs“ nun schon durchgestanden hast (womit Du selbst dann wohl auch schon als „martyr“ im ursprünglichen altgriechischen Sinne (also „Zeugin“) betitelt werden könntest … ), dann dürfte es wohl krasser auch nicht mehr kommen (ich hab’ den nicht gesehen, kenne aber die Handlung, und plane tatsächlich auch keine Sichtung). Die Gewalt in „A l’interieur“ ist zwar stellenweise fast noch extremer, der Kontext wie oben geschildert aber ein anderer, und halt so überdreht, dass man das Ganze eher als splatterige home invasion-Variante von „Tom and Jerry“ sehen könnte.
Claire Denis’ postmoderne Kannibalismus- / Vampir:Innen-Variation „Trouble Every Day“ von 2001 fällt mir da übrigens gerade auch noch ein… wieder mit La Dalle in einer Hauptrolle. Soll ziemlich gut sein, leider aber auch noch nicht gesehen (Du siehst also, ich hab’ auch noch so Einiges nachzuholen… ).
Der krasseste und unerträglichste Film, den ich bislang so gesehen habe, ist übrigens Deodato’s 1980er-found footage-Exploitationer „Cannibal Holocaust“. Gar nicht mal der gezeigten Gewalt wegen (die ist zwar auch heftig), sondern mehr des Kontextes wegen, in den sie vom Narrativ gestellt wird. Ich hab’ den tatsächlich, als ich mich vor gut sieben Jahren nach langem Zögern dann endlich doch dazu durchgerungen hatte, ihn anzusehen, auch nur durchhalten können, weil ich irgendwann mittendrin angefangen habe, mich heftigst zu betrinken. Kann ich Dir allerdings nicht empfehlen, weil da des Öfteren Tiere vor laufender Kamera getötet und danach dann teils auch auf recht brutale Weise zerstückelt / ausgeweidet werden. Ich weiss ja, dass Dir sowas eher nicht so liegt… In meinen Augen ein ungemein wichtiger, aber schwer auszuhaltender Film.
Und dann gibt’s da auch noch so Streifen, die liegen hier seit Jahr und Tag schon rum, und ich traue mich einfach nicht, die mal anzugehen. Pasolini’s „Salò oder Die 120 Tage von Sodom“ z.B. Beispiel nötigt mir so einen Respekt ab, dass ich befürchte, den nicht guten Geistes überstehen zu können… irgendwann mal, aber bislang hab’ mich da noch nicht rangetraut.
den Irriversible gibt es jetzt übrigens auch als „Straight Cut“ in der vorwärtslaufenden Version, die dadurch aber sehr viel von Ihrer orginären Intensität und Besonderheit verliert. Der Film hatte damals am FFF aufgrund seiner Kombination aus Rückwärtserzählung, des brachialen Sounds, seiner 360° Schwenkkameraperspektiven, seiner derben Brutalität und den extremen Strobo-Effekten eine unheimliche Schockwirkung aufs Publikum und deshalb bei einigen Zuschauern schnell zu Walk-Outs geführt!
Wieso sind denn die spoiler tags in Deinem Zitat meines posts jetzt nicht mehr geblurred? Ist das beim Zitieren immer so, dass da die Spoiler-Formatierung rausgenommen wird? @todi
Edit-To-Add: Okay, hat sich erstmal erledigt… thx galore@meiklsan für’s spoilerfreundliche Umeditieren… Interessieren würd’s mich natürlich dennoch, ob das automatisch so passiert.
Das glaube ich gerne, denn das nimmt dem Streifen ja genau die von Noé intendierte Wirkung… die mich allerdings damals bei der Erst- und Einzigsichtung schon nicht so wirklich abgeholt und überzeugt hat. Fand das doch eher arg möchtegern-bedeutungsschwanger (pun intended ).
Das mit dem straight cut wusste ich allerdings schon - vermutlich nach dem so-called „Director’s Cut“ von Ridley Scott’s „A L I E N“ der unsinnigste Umschnitt der Filmgeschichte.
Wobei das Alles nicht die Gründe waren, weshalb ich damals beinahe das Kino verlassen hätte. Aber egal, ich werd’ den wohl eh’ nie wieder ansehen.
Ich würde einen Unterschied machen bezüglich der krassen oder belastenden Gewalt in den genannten Filmen. Und zwar hinsichtlich der sozialen Komponente, in die der Film eingebettet wird, oder die eben völlig fehlt.
MARTYRS hatte die zweifellos, auch bei IRREVERSIBLE seh ich es so, unabhängig davon, ob man das jetzt für gelungen oder aufgesetzt hält. Bei Deodato oder auch Fulci (oder den anderen Italienern der damaligen Zeit) halte ich es eher für eine Frühform der neuzeitlichen Torture-Porn-Welle, insofern die Gewalt Selbstzweck ist oder schlicht dem Tabubruch gilt. Speziell der italienischen Welle der 70er nehme ich die Snuff-Ebene heute noch ganz arg übel, insbesondere hinsichtlich der gezeigten Gewalt gegen Tiere.
Eine andere Qualität bekommt das Ganze sicher auch, wie @die_Lachsschaumspeise erwähnt, wenn die Gewalt so eine Comic-Relief-Ebene enthält…
Übrigens, @Michaela, die Eberhofer-Filme sind für uns Münchner ja auch manchmal eine Form der Gewalt, oder sagen wir, allgemein die Darstellung der bayerischen Lebensart auf Leinwänden sind es. Ich hab den ersten auch gesehen, meine Mutter ist wenig überraschend großer Fan, und ihre Aussage war, dass man sich zumindest den letzten eher sparen sollte, weil die (für uns Bayern) Fremd-(Eigen-)Schäm-Elemente mittlerweile deutlich überwiegen.
Ich empfehle für, sagen wir, diese Art Kino immer als bessere, weil mit mehr Niveau ausgestattete Variante die Wolf-Haas-Verfilmungen vom Kommissar Brenner mit Josef Hader.
Bei „A Serbian Film“ und „Human Centipede“ bin ich ganz bei Dir - (die Vergewaltigung von Babys / Kleinstkindern und Penetration in eine offene Augenhöhle hinein sind nun wirklich nichts, wovon ich denke, daß ich das sehen möchte und es mir irgendeine tieferliegende Erkenntnis über die human nature vermittelt - ebenso das eher trashige Aneinandernähen von Anus- und Mund - / Rachenbereich diverser Menschen und daraus folgende digestiv-exkretiv-ingestive Probleme ).
Ansonsten ist das IMHO aber ein durchaus interessantes und diskussionswürdiges Thema (also „Extreme Gewaltdarstellung im Film und individuelle Rezeption derselben“) - ich habe nur leider das dumpfe Gefühl, daß ich im Laufe der nächsten paar Wochen bedauerlicher Weise kaum bis gar keine Zeit finden werde, mich dazu eingehend zu äußern… komme gerade eben aus dem neuen Lanthimos-Film und muss jetzt erstmal kurz was essen, dann das review dazu abtippen (was bei mir Bleiwüsten-creator ja schon mal ‚ne gute dreiviertel Stunde oder länger dauern kann), und dann geht’s auch bald schon wieder in die Heia. Werd‘ das Ganze aber erstmal im Hinterkopf behalten und mich beizeiten bestimmt nochmal dazu auslassen, versprochen… allerspätestens, wenn ich ab Mitte Oktober dann eeeendlich mal Urlaub haben werde.
@todi - Ob’s vielleicht noch möglich wäre, den neuen thread hier in irgendwas à la „Extreme Gewaltdarstellung im Film“ oder so umzubenennen? Ich hab’ das Gefühl, dass „Harte Filme“ als thread-Titel noch nicht hart genug ist…
Dieser mein post hier kann dann ja auch gerne wieder gelöscht werden…
Okay, wie ich sehe, ist das gerade eben schon passiert … Merci.