David Lynch und seine Filme

Da wir in einem anderen Thread bereits einen Regie-Dinosaurier zum Thema haben und auch David Lynch im Laufe der Jahre eine ganz eigene Filmsprache entwickelt hat, die viele Fans hat, dachte ich mir, wär es vielleicht ganz angebracht, ihn ebenfalls mit einem eigenen Thread zu würdigen.

Ich hätte mir zwar gewünscht, diesen Thread hätte ein echter Fan aufgemacht aber hier wird sich ja sicherlich auch so der ein oder andere finden. Denn ein Fan bin ich nicht. Wollte den Thread dennoch…naja, hab ich ja erklärt.

Vielleicht kommt mir auch noch die Lynchne Erleuchtung. Dass er in vielen Bereichen künstlerisch aktiv ist (Malerei, Musik) dürfte ja bekannt sein. Mir sagt das jedoch alles nicht so zu, es ist mir in der Regel immer zu düster. Von seinen Kurzfilmen kenn ich, mein ich, genau einen. Daher beschränk ich mich in meiner Einordnung mal überwiegend auf seine Spieflilme. Freue mich über regen Austausch.

Eraserhead - Gilt als Überklassiker. Nie gesehen aber ich weiß auch nicht, ob ich will. Ist das denn tatsächlich ein Must-See oder nur ein Must-See, weil man das so sagt?

The Elephant Man - Kurios. Eigentlich die gleiche Frage wie oben.

Dune - Hab ich immer gezockt. Der Film ging jedoch voll an mir vorbei. Für mich auch der Film, den ich am allerwenigsten mit Lynch in Verbindung bringen würde. Ich glaube, ich habe mal in den reingeschaut. Irgendwie kam der nicht so ganz in die Gänge, war sehr gemächlich.

Blue Velvet - Puh, auch so ein Kult-Ding. Kann man dem logisch folgen? Macht der Sinn? :smiley:

Wild at Heart - s. Blue Velvet. Hier reizt mich allerdings Nicolas Cage in der Hauptrolle.

Twin Peaks - DAS habe ich wirklich nie gerafft. Mich aber auch zugegebenermaßen nie wirklich mit beschäftigt. Ist die Serie empfehlenswert?

Lost Highway - Ja, da hätten wir so eine typische Lynch Nummer. Dieser Film markiert wohl den Start seiner zweiten großen Erfolgswelle und die endgültige Manifestierung als “Kult-Regisseur”. Natürlich hat der Film gute Einstellungen, Sound, etc. aber es gibt da in dem Film diesen einen Moment, wo man nicht so wirklich dahinterkommt, wie das jetzt gemeint ist. Und dann fängt das bei mir schon an, etwas anstrengend zu werden. Aber nicht weil es was zu rätsteln gibt. Sondern so aus Lynch-mäßigen Gründen halt. :smiley:

The Straight Story - Noch die am ehesten stringenteste Story. Förmlich ein Feel Good Movie. Fast schon untypisch für Lynch.

Mulholland Dr. - Auch ok aber geht auch so in die Richtung Lost Highway.

Inland Empire - Ja, keine Ahnung. Ich hab’s damals echt versucht. Vorurteilsfrei an die Sache rangegangen, Nicht nur die Video-Optik ist grässlich, auch kam ich nicht hinter den Sinn von dem ganzen. Pass.

Twin Peaks (2017) - Hand aufs Herz: Muss man das sehen? Rafft man das, wenn man Twin Peaks von früher nicht kennt? Rafft man da überhaupt was?

So bin mal gespannt, welcher Lynch Fan mich zuerst…äh…lynchen wird…höhö…

Huhu.

Eraserhead steht noch auf meiner watch list.

Elephant man war, wenn ich mich richtig erinnere, nicht typisch lynchesk, aber eigentlich eher traurig.

Mullholland Drive fand ich sehr faszinierend. Hatte was twin peaks ähnliches.

Lost Highway hat mich sehr gegruselt, Geschichte etwas wirr, aber gut.

Bei Inland Empire hab ich bei der Hälfte aufgegeben. Ich mag Laura Dern nicht umbedingt, auch wenn sie in diesem Film super ist. Da würde ich eher zu perfect blue raten. Wer jetzt da wen angekupfert hat, weiß ich nicht.

Twin Peaks, die Mutter aller Mysteryserien, ist schon irgemdwie ein Muss. Diese Serie hat Fermsehgeschichte geschrieben. Wird von mir dann irgendwann im november nochmal gesichtet zusammem mit dem neuen twin peaks.

Dune ist halt eher 80er scifi Kost mit einem jungen Kyle MacLachlan, würd als ähnliche Beispiele da vielleicht noch sowas wie Flash Gordon oder den Raketenwurmfilm mit Kevin Bacon in die Runde werfen.

Wild at heart und blue velvet liegen noch ungesehen bei mir rum. Denk aber allein wegen Nic Cage, der erste Film, und wegen Dennis Hopper, der andere Film, schon sehenswert.

Was ich eigentlich am allermeisten wissen möchte ist, haben die beiden erst genannten (Eraserhead, Elephant Man) oder auch Twin Peaks eine griffige Story oder ist das eher so arty-farty Kram?

Elephant man hat eine schlüssige geschichte.

Twin peaks auch. Ist im Prinzip eine Mordgeschichte ausgeschmückt mit skurrilen Typen und fantastischen mystery Elementen.

Lynchs Hauptwerk ist ja recht übersichtlich und gut einteilbar in eher konventionelle Filme, sehr hermetische Werke, die eher die Hardcore-Fans glücklich machen und die andere tendenziell mit „artsy-fartsy“ bezeichnen würden – und dann die Filme, die Elemente von beidem enthalten.

In der eher konventionellen Kategorie finden sich THE ELEPHANT MAN (ein tragisches Drama) und DUNE (ein etwas weirder SciFi-Film, Lynchs Totalflop) sowie vor allem THE STRAIGHT STORY (der wohl „unlynchigste“ seiner Filme, zumindest im Vergleich mit dem Rest seines Werkes). Hier wird jeweils eine relativ klassische Geschichte erzählt.

Zu den extremeren Filmen gehören ERASERHEAD (ein surrealer Alptraum und einer der verstörendsten Filme, die ich je gesehen habe), TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME (eigentlich nur für echte Fans von Lynch und der Serie zu empfehlen) sowie INLAND EMPIRE (großartig, aber eben auch eine Tour-de Force und auch nur für Fans).

Die Filme (und die Serie), die Elemente beider Welten enthalten, gehören zu Lynchs erfolgreichsten Werken: BLUE VELVET, WILD AT HEART, LOST HIGHWAY, MULHOLLAND DRIVE und natürlich die Serie TWIN PEAKS. Das Genre ist hier meist eine düstere Film-Noir- bzw. Ermittlungs-Story, die mit sehr weirden Figuren und mysteriösen Vorkommnissen durchzogen ist. Auch hier sind BLUE VELVET WILD AT HEART noch näher am Mainstream als LOST HIGHWAY und MULHOLLAND DRIVE. Da Lynch bei der ersten TWIN PEAKS Serie nur sechs Folgen selbst inszeniert hat, sind die ersten beiden Staffeln von unterschiedlicher „Lynchhaftigkeit“.

Letztlich ist es natürlich Geschmackssache, was man sich anschauen will und was man als „must see“ betrachtet.

Meine persönliche Lynch-Bestenliste:

  1. LOST HIGHWAY
  2. MULHOLLAND DRIVE
  3. BLUE VELVET
  4. ERASERHEAD
  5. INLAND EMPIRE
  6. WILD AT HEART
  7. TWIN PEAKS

Bevor man sich die neue Twin Peaks Staffel ansieht, würde ich schon empfehlen, sich vorher noch die alten Staffeln zu Serien anzusehen. In FIRE WALK WITH ME werden viele bereits etablierte Figuren und die erschaffene Welt ansich, regelrecht abgefeiert. Zwar geht Lynch gänzlich neue Wege, aber es ist mit Leib und Seele Twin Peaks und man weiß es erst richtig zu schätzen, wenn man Lynchs Universum bereits inhaltiert hat.
Einen großen Fehler sollte man bei den meisten Werken von Lynch aber nicht begehen, nämlich die Sinn Frage zu stellen. Man nimmt es am besten so roh zu sich, so wie es serviert wird, genießt das Ambiente und lässt sich verzaubern.
Persönlich finde ich auch Lynch als Person absout faszinierend, alle die Ihn getroffenen haben bezeichnen Ihn als absoluten Gentleman. Er stellt im Leben, dem ersten Anschein nach, wahrscheinlich genau das Gegenteil von dem dar, was er auf die Leinwand wirft. Erst wenn man Ihn richtig kennenlernt, gibt er sein eigentliches Ich preis. Das Gleiche trifft dann wohl auch auf seine Werke zu.
Lynch muss man nicht mögen, aber Ihn und seine Werke zu schätzen und zu respektieren, ist eigentlich schon Pflichtprogramm! :wink:

Mein Lieblingsfilm von Lynch ist eindeutig Mulholland Drive, einfach schon wgn. dieser dunkel-romantischen-melancholischen Magie.

David Lynch ist für mich ein dunkles, komplett eigenständiges, oft überraschend menschliches Genie, mit dem sich kaum einer in der Geschichte des Kinos messen kann, will, sollte. Absolut einzigartig! Er hat zwei Seiten in sich, die kaum weiter auseinander ragen könnten und sich gerade deswegen fast schon wieder berühren.

Einer dieser Regisseure, dessen Werke auf mich reifen, wie guter Wein. Anfangs noch zu verkopft und fremdartig, ich zu unreif und klein - mittlerweile immer unumgänglicher. Mit ERASERHEAD hat er einen meiner größten Brainfucks ever, mit ELEPHANT MAN einen meiner traurigsten und emotionalsten Filmmomente überhaupt geschaffen. Seine Filmographie ist nicht von dieser Welt. Ein wahrer Künstler und Poet des menschlichen Grauens.

Hier meine persönliche Rangliste, auch wenn ich noch nicht ganz durch bin (Twin Peaks mir z.B. noch schändlicherweise komplett fehlt):

  1. Elephant Man
  2. Mulholland Drive
  3. The Straight Story
  4. Blue Velvet
  5. Eraserhead
  6. Lost Highway
  7. Wild At Heart
  8. Dune
  9. Inland Empire

Aus (traurigem) aktuellem Anlass, und weil ich finde, dass es hier am Besten reinpasst… Eventuell hat ja jemand im Gedenken an den letzten grossen Meister des surrealen Kinos den Film in den letzten 26 Stunden gesehen, hat das über’s Wochenende noch vor, und möchte danach dann unter Umständen noch etwas filmtheoretisches back-up einholen, oder hat auch einfach nur so Lust darauf, hier (nochmal) reinzuhören (Laufzeit allerdings gute 87 Minuten):

Edit-To-Add: Plus noch ein kurzer conference talk zur Konferenz „Canonizing David Lynch“, welche im September 2019 an der Universität Siegen stattfand (in Englisch gehalten):

Mulholland Drive dürfte der Film sein, den ich in meinem Leben am meisten gesehen habe, der mich am meisten fasziniert und gleichsam verwirrt hat, der mich emotional tief berührt, immer wieder verführerisch angelockt und eingesaugt hat, den ich nie richtig verstanden habe, den ich verzweifelt analysiert, seziert und durchforstet habe, für den ich immer wieder nach einer für mich plausiblen Lösung und Erklärung gesucht habe, bis ich verstanden habe, dass es diese (für mich) nicht gibt und wahrscheinlich auch nicht geben soll und auch nicht geben muss, denn der Film steht so da wie er ist, ein Mysterium, pure Magie, Mullholland Drive.

Ich werde mir Mulholland Drive zu Ehren und in Gedenken an David Lynch dieses Wochenende erstmals in 4K im Heimkino anschauen und bin gespannt welche Emotionen unter den aktuellen Umständen womöglich noch zum Vorschein kommen.

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In memoriam David Lynch

„You put your disease in me!“ - Eine Reise ins düstere Herz der 1950s-americana

„Blue Velvet“
(David Lynch / 1986 / Blu Ray / englischsprachige Originalversion )

Nachtblau dunkler Samt, der einem strahlendblauen Himmel weicht, vor dem ein weisser Gartenzaun mit blutrot erblühenden Rosen emporragt, Angelo Badalamentis verführerisch-geheimnisvoller, düster lockender score, auf den Bobby Vintons und Burt Bacharachs melancholisch-sinnlicher, dem Film seinen Titel gebender Orchester-Schlager „Blue Velvet“ folgt, junge Männer, die ihre girls mit dem Auto vor der high school abholen, die typischen all american Diners, eifersüchtige Football jocks, die ihre Konkurrenten mit dem Auto verfolgen, um ihnen mal ordentlich die Fresse zu polieren, teenager parties, auf den klassischer Rock’n’ Roll und Klammerblues-Schmachtfetzen laufen - Lynch ruft in seinem Mittachtziger-instant classic all diese Bilder, Szenen und Tableaus auf, die man gemeinhin mit der Jugendkultur der ach so heilen und sauberen 1950er-Ära und der ihnen nachfolgenden Dekade der rebellischen 60er, als diese Heile Welt-Fassade erste Risse erhielt, und die U.S.-amerikanische Gesellschaft tiefgehende Disruptionen erfuhr, assoziiert. Und es ist sicher auch kein Zufall, dass die im ersten Bild aufscheinenden Primärfarben (das Rot der Rosen, das Weiss des Gartenzauns, und das tiefe Blau des Himmels) eben auch dieselben Farben, wie die der U.S.-Flagge Stars and Stripes sind, und dass der Antagonist des Films den Nachnamen Booth trägt, während das Mietshaus, in dem Dorothy residiert, in der Lincoln Street loziert ist.

„Blue Velvet“ ist eine Reise ins Herz der Dunkelheit der restituierenden post-WWII-Epoche, in welcher vorgeblich die konservativen WASP-Werte, Sitten und Moralvorstellungen dominierten, die hinter den Kulissen aber bereits rotten to the core war. Der unbeleckt-naive Jeffrey, der sich, von dem sittsamen all american girl Sandy assistiert, aufmacht, den dark underbelly seiner vorgeblich so friedlich-verschlafenen Kleinstadt zu erkunden, und der explosiv-gewaltvolle, psychotisch-derangierte Gangster Frank sind die beiden diametralen Pole von Lynchs Neo Noir-Interpretation - der eine juvenil-naseweiser heranwachsender Jüngling mit angedeuteten Potenzproblemen, der Andere die brutal-brachiale, verschlagen-verdorbene „Ersatz“-Vaterfigur, der immer kann und will („I’ll fuck anything that moves!“). Beide begehren sie die geheimnisvoll-verschlossene, sexy seduktive Nachtclub-Sängerin Dorothy Vallens (phänomenal Isabella Rossellini in ihrer wohl besten Rolle), die in ihrer Sphinx-artigen Rätselhaftigkeit, in ihrer scheinbaren nicht nur Bereitschaft, sondern ihrem vordergründigen Willen zu Unterwerfung und Misshandlung durch die sie (wie) verrückt begehrenden Männer das ominös-obskurante Zentrum des Films darstellt. Jeffreys unverhohlener Voyeurismus, seine Skopophilie, der von Dorothy erst mit der Kastrations-Androhung, nur einen kurzen Augenblick später aber mit der Rollenumkehr von Begehrender / Begehrendem begegnet wird, findet seine gegenteilige Entsprechung in Franks regressiv-aggressivem Infantilismus („Baby wants to fuck!“) mit ödipalem Mutterficker-Anstrich („Mommy loves you.“), der sich einfach nimmt, und sei es mit physischer Gewalt, was und wann er will. Dass der Eine dann mit weiter fortschreitendem Handlungsverlauf immer mehr Züge des Anderen annimmt, und letztendlich das verderbt böse, omnipotente (im Gegensatz zum leiblichen Vater, der bereits zu Beginn als impotent (siehe die Szene mit dem Gartenschlauch, und deren Ins-Bild-Setzen) gekennzeichnet wird) Substitut des Vaters ermorden muss, ändert nichts daran, dass schlussendlich beide Männer der von ihnen begehrten Frau als Projektionsfläche und von ihnen dazu gemachter / herabgewürdigter Hure, nicht habhaft werden können ( ein Motiv, das in Lynchs späteren Filmen noch oft wiederkehren sollte, analog dazu siehe auch „You’ll never have me!“ in „Lost Highway“). Dorothy ist genau deshalb das / ein Objekt der (hetero-männlichen) Begierde, weil ihr eigenes Begehren ein unaufschlüsselbares Mysterium darstellt, etwas, zu dem Männer keinen Zugang haben können (diese Figuration kam bereits im Vorgängerfilm „Dune“ vor, allerdings umgekehrt - der von Paul Atreides verkörperte Übermensch, der Qui-Akh-Aderaq, hatte die Fähigkeit, in seinen drogeninduzierten Visionen einen Ort aufzusuchen, an den „Frauen nicht gelangen“ konnten).

Wenn ganz am Ende von „Blue Velvet“ die normative Ordnung scheinbar wiederhergestellt ist, und in einer beinahe traumartigen Sequenz die „Mysteries Of Love“ (Julee Cruise) ihre offenkundige Erfüllung erfahren haben - Dorothy ist mit ihrem Sohn Donny wiedervereint, Jeffrey und Sandy sind ein Liebespaar, und sogar der zuvor Herzinfarkt-lädierte Vater ist auf wundersame Weise genesen und voll wiederhergestellt - dann verraten uns zwei kleine, aber doch entscheidende Details, dass in Wahrheit unterschwellig immer noch verborgene, unerfüllte Begierden am Werk sind… das Rotkehlchen (als Symbol für die Kraft der heteronormativ-monogamen Liebe / Ehe) hat einen Käfer im Schnabel (siehe die Anfangsszene mit dem Käfer-krabbelnden Rasenuntergrund), und Dorothy „still can see Blue Velvet through [her] tears.“

Schönheit und Schrecken, Erfüllung und Begehren, Licht und Schatten - bei David Lynch ist das Eine ohne das Andere nicht zu denken.

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In memoriam David Lynch

„Get my lipstick. It’s in my purse.“ - Das Zurückweisen der symbolischen Ordnung als notwendige Voraussetzung der Wunscherfüllung in einer Welt der ständigen Exzesse

„Wild At Heart“
(David Lynch / 1990 / Blu Ray / OmeU )

Lynchs 1990er Palme d’or-Gewinner hatte es nie leicht mit mir… es ist mittlerweile solange her, dass ich den Film zum letzten Mal gesehen habe, dass ich Teile der Story ganz anders in Erinnerung hatte, als ich sie gestern abend auf dem TV-Bildschirm wahrgenommen habe. Ich hatte „Wild At Heart“ immer als einen Streifen angesehen, den ich zwar durchaus mochte, in Lynchs œuvre aber für eher vernachlässigenswert hielt. Daran hat sich im Grunde auch nach der jüngsten Sichtung nichts grundlegend verändert, aber dennoch war das ein sehr schönes (re)viewing-Erlebnis. Zum Einen waren mir weder die tolle Kameraarbeit (Frederick Elmes, nach „Eraserhead“ bereits seine zweite Zusammenarbeit mit Lynch), noch die grandios intensive Farbgebung als so dermaßen herausragend im Gedächtnis verblieben, zum Anderen konnte ich mit der Narration selbst und vor Allem dem bis dato immer als sogar für Lynchs Verhältnisse zu kitschig-absurd empfundenen Ende dieses Mal bedeutend mehr anfangen. Ja, gerade auch das ending des Streifens ist so, wie es ist, für einen Abschluss der Geschichte zwingend notwendig. Aber fangen wir besser am Beginn, denn am Schlusspunkt des Ganzen an…

Lynch-Filme sind ja immer auch Meta-Narrative, Filme übers Filmemachen, intertextuell bezugnehmend auf andere Werke der Filmhistorie. Wo „Blue Velvet“ noch auf Hitchcock verwies (vor Allem „Psycho“ und „Vertigo“), da arbeitet sich „Wild At Heart“ ganz explizit an „The Wizard Of Oz“ ab. Allerdings sind der rebellische Rock’n’ Roll-Outlaw Sailor und die leicht dümmlich wirkende, kleinmädchenhaft scheinende, sexbesessene Lula hier nicht in einer Traumwelt-Fantasie gefangen, aus welcher sie irgendwann einfach wieder erwachen könnten - nein, die ganze Welt ist bereits von vornherein als eine einzige grosse Fantasie gezeichnet. Eine in aller ihrem überspannt-überzogenen Völlig-Drüber-Sein beinahe schon wieder hyperreal wirkende innerfilmische Realität voller Sex- und Gewaltexzesse (fabulös, wie sowohl das Eine als auch das Andere immer wieder durch das Element Feuer, oft genug in Verbindung stehend mit dem Anzünden einer Zigarette oder eines Streichholzes, bebildert werden… so, als würde da jemand beständig versuchen, nicht nur the world, but also the cinema screen itself on fire zu setzen). Dieses Immer-viel-Zuviel an Koitus, Perversionen, Vulgaritäten, explizit inszenierten brutalen Mord- und Verstümmelungsakten, an denen nicht nur die das „young love on the run“ couple verfolgende und drangsalierende, als feindlich empfundene Umwelt, sondern eben auch die Beiden selbst ein ums andere mal partizipieren, markiert (laut Todd McGowan, dessen psychoanalytisch-Lacan’sche Abhandlung über Lynchs Filme namens „The Impossible David Lynch“ zu lobpreisen ich nicht müde werden kann) das ewigdauernde Innuendo eines instant pleasure fullfillment, welches die Liebesbeziehung der Beiden, bzw. die Möglichkeit eines fully and wholeheartedly commitment dazu, immer und immer wieder verunmöglicht. Denn durch die beständige und prompte Befriedigung aller Wünsche, durch das andauernde exzessive Schwelgen in Augenblicks-Stimuli und endlos reproduzierten Freuden, stellt sich weder für den in all seiner behaupteten Individualität und angeblich so unabhängigen Freiheit (die aber doch immer wieder gewisser Kennzeichen, wie der abgöttisch geliebten Schlangenlederjacke, welche diese Anderen gegenüber repräsentieren, und damit der Anerkennung durch ein Aussen bedarf, also nicht wirklich frei sein kann, da sie nur in und aus der Beziehung zu einer dritten Instanz entsteht) lebenden Sailor, noch für die in anhaltender Abhängigkeit von ihrer manipulativ-besitzergreifenden Übermutter Marietta verbleibende Lula je die Notwendigkeit, sich von diesen Über-Instanzen einer symbolischen Ordnung loszusagen. Und damit die Liebe zum je Anderen als Grundlage und Bedingung für eine Welt, die eben nicht auf sofortiger Lusterfüllung und / oder der Anerkennung durch Dritte, sondern allein ihrer beider Selbst, und der Akzeptanz eines Mangels, welcher dieser Liebe als Begehren des Gegenübers erst Bedeutung verschafft, anzuerkennen. Dem omnipräsenten Exzess und Überfluss muss ent- und versagt werden, um das Begehren als ebensolches anzuerkennen, und es dadurch und damit real werden zu lassen. Denn Begehren als solches kann nur durch einen Mangel entstehen, den die Liebe zum Anderen ausgleichen hilft. Alles Andere ist nur infantil-regressives Verharren in einem kindlichen Zustand (siehe auch die Figur des Frank Booth in „Blue Velvet“). Die Wunschmaschine als perpetuum mobile muss zurückgewiesen werden, um den innersten Wunsch nach wirklicher, tief empfundener Liebe akzeptieren und realisieren zu können.

Mehr noch, und weitaus expressiver, als in all seinen anderen Filmen, illustriert Lynch sein Yellow Brick Road movie als Ansammlung von Obszönitäten, Zoten, sadistischen Quälereien, viszeral-brachialen Brutalitäten, Szenen voller Gewalt und Grausamkeit, deren adäquate Bebilderung sowohl das ihnen inhärente absurd-abstruse Überzeichnungs-Potential offenbart, und sie somit als lächerlich-komisch bloßstellt, als sie gleichzeitig auch in all dieser fast comic-haften Übertreibung als ungesundes Übermaß an soziokulturellem Exzess offenbart. Ein gutes Beispiel dafür ist die nächtliche Wüsten-Highway-Begegnung von Sailor und Lula mit der einen Frontalzusammenstoß überlebt habenden jungen Frau, die selbst im Moment ihres unmittelbar bevorstehenden Todes scheinbar an nichts Anderes mehr denken kann, als sich mithilfe ihres Lippenstifts für den Blick Anderer zu verschönern. Und auch die herrisch-gestrenge Übermutter Marietta (grandios Diane Ladd als sich beinahe selbstzerfleischende Wicked Witch of the West), der das Antlitz von Laura Derns Lula hier und da gelegentlich erschreckend ähnlich wird, geht in ihren wahnhaft-besessenen Bestrebungen, Sailor zur Strecke und Lula wieder unter Kontrolle zu bringen, so sehr über jedes Maß hinaus, dass sie sich ein ums andere Mal nur selbst damit schadet - und aber doch nicht davon lassen kann.

„This whole world’s wild at heart and weird on top.“, sagt Lula einmal, als sie mit Sailor auf dem verranzten Bett ihres Motelzimmers liegt, in einem seltenen Moment der Verzweiflung. Ein Motto, das in seiner zutreffend-passgenauen Prägnanz beinahe alle David Lynch-Filme beschreiben könnte.

But to really be wild at heart, one has to reject the symbolic order of The Other, and fully commit to their fantasy and desire.

Sonst gibt’s auch kein „Love Me Tender“ während des Abspanns.

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In memoriam David Lynch

“This is the Girl.“ – „We‘ll pretend to be someone else!”

„Mulholland Drive“
(David Lynch / 2001 / Blu Ray / englischsprachige Originalversion)

“I know, I know we’re lost / I know, I know we’re lost
I can’t help myself when we drive / Oh, don’t hold us back, this midnight drive
You see the stars are out tonight / You see the stars are out tonight”

(Still Corners, „Midnight Drive“)

Es gibt diese Filme, denen wohnt eine unvorstellbare Kraft inne. Eine soghaft Dich fortziehende Energie, wie eine unter der Oberfläche verborgene Unterströmung, die Dich ganz langsam, kaum merklich packt, bis es dann zu spät ist, und Du ihrem Dich in die Tiefe mitreissenden, allesverschlingendem Strudel nicht mehr entkommen kannst. „Mulholland Drive“ ist für mich ein solcher Film. Das in der Nacht von gestern auf heute stattgefundene Anschauen des Films hat mich bis weit über alle meine Grenzen geführt, bis über jedes zumutbare Maß hinaus an einen Punkt tief in mir selbst, an dem ich lange nicht mehr gewesen bin, und diese Sichtung mich als ein kleines wimmerndes Häuflein Elend, unkontrolliert zitternd und tränenüberströmt zurückgelassen. So bereichernd belohnend und erkenntnisreich erhellend das Ansehen auch war, so intensiv aufreibend und kathartisch kräftezehrend ist es doch ebenso auch gewesen. Ich bibberte wie Espenlaub, wie Betty auf ihrem Sessel im Club Silencio mich konvulsisch zuckend hin-und herwerfend, als sie endlich der unausweichlichen, endgültigen Erkenntnis gewahr wurde, ich weinte lautschluchzend und aufheulend, ich hatte Gänsehaut am ganzen Körper, ich durchlitt beängstigend bedrohliche Beklemmungszustände. Vielleicht eine der eindringlichsten und emotionalsten Filmsichtungen, die ich je (und extrem selten in einer solchen Furiosität) erlebt habe. Dabei war das erst meine vermutlich vierte Sichtung von Lynchs (für mich) unumstrittenen Opus Magnum. Stand jetzt wäre „Mulholland Drive“ für mich persönlich, sollte ich überhaupt je eine Top Ten-Liste meiner Lieblingsfilme erstellen, wohl auf Platz Drei, gleich hinter Peter Weirs „Picnic At Hanging Rock“ und Andreji Tarkovskjis „Stalker“. Eher ein (mit)empfindendes Erleben, denn blosses Ansehen. Die verzaubernd verstörende, becircend betörende Magie purer Bilder, die virtuos fulminante Macht des Kinos, ein synästhetisch-diegetischer Hochgenuss. Tableaus und Kadrierungen, die Eine:n fast schon direkt in die Narration hinein zu ziehen scheinen, ein Sound Design, was Dich bis in den Tiefschlaf verfolgt, ein majestätisch dunkel schwelgender score (vielleicht Badalamentis bester), der Dich wie auf sonischen Wellen hinfort trägt, in eine halb erträumte, halb metaphysische Welt von Liebe, Eifersucht, Neid, Spott, Hass und Begehren. Was für ein meisterlicher Schnitt auch, welcher dem Streifen einen unglaublich gut austarierten, perfekt passenden Rhythmus vorgibt. „Mulholland Drive“ ist absolute Filmkunst auf allerhöchstem Niveau zelebriert, der Zenit von Lynchs Schaffen, ja, hier und jetzt würde mich sogar zur Aussage hinreissen lassen, der ein Zenit des Kinos überhaupt. (M)Ein Film für die Ewigkeit.

Überdeutlich und all over the movie, ist „Mulholland Drive“ (neben seiner tragischen love story) vor Allem auch ein Film über das Filmemachen, das Erschaffen von Träumen und Illusionen, das movie business und dessen Auswirkungen auf die Schaffenskraft und Kreativität von Filmemacher:Innen und Schauspieler:Innen, und das beständige So-Tun-Als-Ob, und gerade dadurch und im Moment dieses pretending to be someone else einer tieferen, anderen Wahrheit dazu zu verhelfen, Wirklichkeit zu werden. Der Produktion von Realität(en) als einer prozessualen Projektion, die das, was sie nachzuahmen vorgibt, ja überhaupt erst ins Leben ruft. Am Schönsten und Fesselndsten sicherlich verkörpert von Naomi Watts (die zusammen mit der nicht minder fabulös aufspielenden Laura Elena Harring den gesamten Film trägt) in der (zuvor mit „Rita“ eingeübten und zu jenem Zeitpunkt noch lächerlich banal aufgesagten) audition scene, in welcher Betty so elektrisierend unmittelbar agiert, dass sie nicht nur die innerhalb der filmischen Wirklichkeit sie umringenden Profis vollkommen aus den Socken haut, sondern auch uns Zuschauer:Innen derart breathtakingly fasziniert, dass ich beinahe schon das Atmen vergaß. Dem Ganzen inhärent natürlich auch eine scharfe Kritik an den Sexismen und misogynen Zumutungen, die gerade junge aufstrebende Schauspieler:Innen in tinseltown ja nur allzuoft erfuhren und vermutlich auch immer noch erfahren. Aber auch die (stellenweise absurd komischen) Sequenzen mit Justin Theroux als (wie Lynch selbst bei Dreharbeiten Megaphon-bewehrtem) Regisseur Adam, der in der freien Ausübung seiner Arbeit andauernd durch die als mafiös auftretend gezeichneten Produzent:Innen behindert, gegängelt und drangsaliert wird, sind Gold wert.

Was an und im Film nun Traum / Fantasma, und was genau inhärent „real“ / Wirklichkeit ist, das ist mir im Grunde genommen immer schon zweitrangig gewesen, und mittlerweile eigentlich vollkommen egal geworden. Weil derlei Fragen für mein filmisches Erleben und Empfinden auch gar keine Rolle spielen. Der von vielen, wenn nicht gar den meisten Rezipient:Innen vertretenen Theorie, dass die ersten zwei Drittel der Story (bis hin zu „Ritas“ Öffnen der Blue Box) nur Dianes herbeifantasierte Traum-Realität sind, weil sie mit ihrer Eifersucht ob des Verlassenwerdens durch Camilla und ihren Schuldgefühlen wegen des darob veranlassten Auftrags-Mords nicht klarkommt, hing ich jedenfalls noch nie an, und tue das auch immer noch nicht. Derlei Erklärungs-Versuche muten mir (trotz der auch bei der heutigen Sichtung wieder wahrgenommenen vielen vielen Hinweise und clues, die allesamt in diese Richtung deuten, sodass ich inzwischen der Auffassung bin, dass diese Lesart wohl doch die von Lynch präferierte / intendierte ist - aber dennoch nicht die meinige) einfach viel zu simpel an, und deuchen mir beinahe schon wie eine Art „David Lynch for dummies“. In meiner Interpretation des Ganzen ist der Symbolismus von „Mulholland Drive“ jedenfalls gar keiner, sondern im Gegenteil beinahe vollkommen als intradiegetisch „real“ zu verstehen. Und gehen meine Deutungen eher in die Richtung von Parallel-Universen / Alternativen Realitäten, die einander an bestimmten Punkten überlappen / deren Wirklichkeiten ineinander überschwappen. Ob und inwieweit das überhaupt irgendeinen Sinn macht, oder nicht, ist für mich dabei aber gar nicht ausschlagggebend. „Mulholland Drive“ bis ins allerletzte Detail aufschlüsseln und enträtseln zu wollen, würde ihm meiner Meinung nach seiner Magie, seines ureigensten Mysteriums, und damit eben auch einem Gutteil seiner immensen Wirkmächtigkeit berauben. Das Rätsel dieses singulär kongenialen Meisterwerks muss für mich auch weiterhin Rätsel bleiben, um seinen impact nicht zu schmälern, und seine herausgehobene Stellung innerhalb der Filmhistorie nicht zunichte zu machen. Ein zu reiner kinematographischer Filmkunst gewordenes Enigma.

Das Begehren in „Mulholland Drive“, ist - analog zu „Lost Highway“, welcher männliche Versagensängste, Furcht vor dem Liebesakt, und die Unfähigkeit, die Geliebte / Ehefrau auch als autonom agierendes Subjekt anzuerkennen, also spezifisch männliche Begehrensmuster, thematisierte und problematisierte - ein rein weibliches, noch dazu eines von nur zwei Personen (die vielleicht, vielleicht auch nicht, auch ein und dieselbe Person sein mögen (für mich sind sie das nicht)). Es ist Bettys Begehren für Rita, und Dianes unerfülltes / fortan versagtes Begehren gegenüber der sie für Adam verlassen habenden Camilla. Die Traumata und identitären Disruptionen, die sich daraus sowohl für die unschuldig auftretende Betty, als auch für die verschmäht-zurückgewiesene und diese Kränkung nie verkraftet habende Diane ergeben, sind exakt genau das, was dem Film in seinen letzten vierzig Minuten seine enorm verstörende, emotional tief erschütternde Wirkung verleihen. Ab dem Moment, als „Rita“ nach der ersten Liebesszene im Schlaf zu sprechen beginnt, und die beiden Frauen mitten in der Nacht den Club Silencio aufsuchen, verhandelt der Streifen nichts Anderes mehr, als dieses Verlangen, und dessen Nicht-Erfüllung. „It’s all an Illusion!“, sagt der Conférencier auf der Bühne. Wir hören die Musik weiterspielen, auch wenn niemand da zu sein scheint, die:der sie spielen / singen. Für Diane ist dieses ihr eigenes sie verfolgende Begehren eine selbst verursachte, aus der narzisstischen Kränkung erwachsene Täuschung ihres Selbst. Und dennoch, auch wenn niemand (mehr) da ist, der dieses vergebliche Begehren weiterhin „am Leben“ zu halten scheint - Diane kann und wird es nicht los. Das wird ihr erst ganz zum Ende des Films gelingen, durch einen absolut endgültigen, zutiefst nihilistischen Akt der Selbstauslöschung des Individuums.

Danach ist nur noch Stille, und die traurig klagende, tragisch anschwellende Musik von Angelo Badalamenti läuft einfach weiter, während die Leinwand sich mit den schemenhaften Abbildern von Geistern in einer Stadt der Träume füllt, die einstmals Liebende waren.

Ihr Gesicht, so anmutig und sinnlich, halb im Schatten, halb im Licht, im Fond des Wagens, im Rahmen der geöffneten Rücksitztür.

Du nimmst zaghaft ihre Hand, und sie führt Dich, mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen, langsam den Abhang empor, sicheren Schrittes einem zwischen Sträuchern verborgenen Pfad folgend.

Einen Weg beschreitend, den nur ihr Beide kennt.

Und für einen kurzen Augenblick scheint Alles wieder wie früher zu sein, beinahe so, als wäret ihr zwei jemand Andere(s), und doch gleichzeitig Eure altvertrauten Selbste.

Vergib mir, Geliebte.

I know, I know, we’re lost.

But at least the stars are out tonight.

And for a brief moment, just for this fleeting glimpse in time, I thought they looked like the flickering lights of L.A.

Seen from a hilltop high above Mulholland Drive, with the love of your life right by your side.

:broken_heart:

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In memoriam David Lynch

“Whaddaya need that grabber for, Alvin?“ – „Grabbin’!”

„The Straight Story“
(David Lynch / 1999 / Blu Ray / OmdU)

“Why do people like stars / They’re so far away
They’re always there / And safe to look at
Wish upon one / I could have been you
In that fantasy / Far away from here"

(Lisa Germano, „Stars“)

Als Lynchs gemächlich-kontemplatives slomo road movie Anfang Dezember 1999 in die bundesdeutschen Kinos kam, waren das gerade die Tage, in denen ein Freund und ich uns für gute sechs Wochen auf den Weg nach Chennai machten, um im sonnigen Süd-Indien über den Jahrtausend-Wechsel sechs Wochen lang bis Mitte Januar 2000 Urlaub zu machen. Sodass ich erst Befürchtungen hatte, ich würde den Streifen nach meiner Rückkehr vielleicht gar nicht mehr im Kino sehen können. Doch, Glück gehabt, das „Magazin“-Kino in Hamburg Winterhude hatte „The Straight Story“ noch im Programm (wenn auch nur in deutscher Synchro). Und so saß ich dann (durch eine gute Freundin, die ebenfalls grosser Lynch-Fan war, den Film schon gesehen und als nicht so dolle befunden hatte, „vorgewarnt“) also Mitte / Ende Januar 00 im wirklich schönen großen Kinosaal und harrte gebannt der Bilder, die da kommen sollten. Und war gute zwei Stunden später vom Gesehenen doch recht angetan. Mir gefällt das von vielen Lynchianer:Innen als für den Stil seines Regisseurs „absolut untypisch“ und „ungewohnt gewöhnlich“ klassifizierte Werk auch immer noch sehr gut, und ich halte es gleichzeitig für sowohl recht anders gestaltet als Lynchs sonstige Lang-Spielfilme, als auch doch absolut Lynchesk… aber dazu gleich noch im Detail. Es war jedenfalls eine sehr schöne Sichtung, nach auch hier wieder vielen vielen Jahren, in denen ich den Film nicht gesehen hatte. Die mich zudem auch bedeutend besser gestimmt und längst nicht so innerlich schwer erschüttert und tief aufgewühlt wie in der Nacht davor in die wohlverdiente Bettruhe entliess.

„You’re a kind man talking to a stubborn man.“

Alvin Straight, der über siebzigjährige World War II-Veteran, setzt sich also, mit gelähmten Beinen (was nicht gespielt war, Farnsworths Beine waren tatsächlich weitgehend paralysiert), mit getrübtem Blick und ohne Führerschein, ans Steuer seines Rasenmäher-Traktors und macht sich, jeden anderslautenden Rat, möge dieser von Ärzt:Innen (jetzt, unmittelbar nach Lynchs Ableben, schmerzen die vorgebrachten Diagnosen in puncto beginnendes Lungen-Emphysem umso mehr), seiner immer nur in abgehackten Wörtern sprechenden, aber überaus patenten Tochter (wenn hier auch nur in einer kleinen Nebenrolle, dennoch absolut umwerfend: Lynchs langjährige Freundin Sissy Spacek) oder seinen ebenfalls bereits in Ehren ergrauten Stammtisch-Freunden vorgebracht werden, ignorierend, auf eine mehr als 600 Kilometer lange, gemächlich vor sich hintuckernde Reise zu seinem jüngst einen Schlaganfall erlitten habenden Bruder (wie immer wunderbar zurückgenommen, und dennoch ungemein berührend: Harry Dean Stanton), mit dem er kein Wort mehr gewechselt hat, seitdem sich beide sechs Jahre zuvor im Suff zerstritten hatten. Richard Farnsworth ist in seiner allerletzten Rolle (er nahm sich, unheilbar an Krebs erkrankt, ein gutes Jahr nach Veröffentlichung des Films das Leben - nicht ohne angeblich zuvor noch ein gutes Steak zu verspeisen, und bei der Gelegenheit noch die Rechnungen aller zu dem Zeitpunkt im Lokal Anwesenden zu begleichen) als kauzig-knorriger, stoisch-starrsinniger, lakonisch-lebensweiser Alter ein Glücksfall für den Film. Mit seiner reflektiert-melancholischen, desillusioniert-gutherzigen Art rattert und knattert er auf seinem ungewöhnlichen Vehikel im entspannten Tempo von gut 8 km/h über die Landstraßen, hat unterwegs allerhand Begegnungen mit schwangeren runaway-Tramperinnen, Radrenn-Fahrern, einer gestresst-entgeisterten Frau, die auf ihrem Weg zur Arbeit andauernd Rotwild auf der Kühlerhaube mitnimmt, und und und… Mit ihnen Allen teilt Alvin im persönlichen Gespräch seine Lebenserfahrung(en), hilft ihnen damit in ihrer jeweiligen Situation weiter (oder auch nicht), oder vermittelt ihnen eine neue Perspektive auf die Dinge des Lebens. Von einer Sache aber lässt er sich nie abbringen: Ganz egal, wer ihm auch Hilfe, oder eine Fahrgelegenheit anbieten mag, Alvin besteht felsenfest darauf: Diese Reise, so unvorstellbar es auch sein mag, dass er sie ohne fremde Hilfe bis an ihr Ende bewältigen kann, muss er alleine machen. Und das ist dann auch der Punkt, wo „The Straight Story“ eben doch überaus Lynchesk ist: Genau, wie soviele andere Protagonist:Innen von Lynchs Filmen (John Merrick, der nur einmal in seinem Leben schlafen möchte, wie alle Anderen; Fred Madison, der Erlösung von seiner Schuld und eine erfüllte Beziehung zu seiner Ehefrau sucht; Diane Selwyn, die ihre ehemalige Geliebte zurückhaben möchte) schickt sich auch Alvin Straight an, das scheinbar Unmögliche zu vollbringen. Und unterwegs reist auch er durch ein eher mythisch-traumhaft anmutendes, denn real existieren zu scheinendes Amerika. Ein heartland der weiten, sanft geschwungenen Kornfelder, auf denen riesenhafte Mähdrescher ihre Arbeit verrichten (auch das wieder typisch Lynch: keine Natur ohne Maschinen), und in dem die ihm begegnenden Menschen allesamt freundlich und umgänglich wirken. Ein mittlerer Westen ohne große Konflikte oder unlösbare Probleme. Das unwirkliche Traumbild eines Amerika, wie es höchstens in alten Romanen oder Filmen je beschrieben wurde oder besichtigt werden konnte. Filmen, wie „The Straight Story“.

„It’s an amazing thing what you can see while you’re sittin’.“

Lynch inszeniert seine „Straight Story“ tatsächlich äusserst straight. Es gibt hier wenig bis gar keine Ablenkungen, die aus anderen Werken wie „Lost Highway“, „Blue Velvet“ oder „Fire Walk With Me“ bekannten narrativ-szenischen Disruptionen oder flackernd ins Schwanken geratenden Bilder wird man hier nicht finden. Das wäre ja aber auch der Thematik gar nicht angemessen. Und so findet der Streifen einen ruhig dahinfliessenden Erzähl-Rhythmus, und etabliert eine kontemplativ-meditative Sicht auf die Dinge und Situationen, welche Alvin auf seiner road odyssey so erfährt. Nichts bringt den rüstig-renitenten Senior aus der Fassung, auch gelegentliche Rückschläge oder längere Zwangs-Aufenthalte, weil der Keilriemen gerissen ist, und auch das Getriebe einer Reparatur bedarf, werden mit bewundernswerter Seelenruhe hingenommen, und mit dem Langmut des Alters überstanden. Denn auch, wenn Alvin (noch) nicht mit sich selbst im Reinen ist: Er weiss ganz sicher, dass letzten Endes sich doch Alles irgendwie zum Guten wenden wird.

„The worst thing about being old is remembering when you was young.“

„The Straight Story“ ist Lynchs wohl zurückgenommenster und reflektiertester Film, eine wunderbar behutsam vorgetragene Koda über das Altern und das Erinnern, die Sterblichkeit und die Vergänglichkeit, den flüchtigen Moment und das groß aufgespannte Panorama des Lebens, welches sich erst in der Rückschau so richtig erkennen und begreifen lässt. Alvins Reise muss eben deshalb von ihm allein bewältigt werden, weil es seine redemption journey ist, seine ganz ureigene Suche nach Vergebung und ja, vielleicht auch so etwas wie Erlösung. Und wenn der wortkarge, verschlossene geezer sich doch mal etwas mehr als bloß ein, zwei Sätze entlocken lässt, dann ist es meistens so etwas wie eine Beichte (unglaublich anrührend seine Erzählung, wie er als Scharfschütze im Europa des Zweiten Weltkriegs einmal den Falschen erschossen hat), oder aber eine Remineszenz über Wendepunkte seines eigenen Lebens. In der immer sowohl Reue als auch Akzeptanz mitschwingen.

Ganz am Ende, wenn Alvin dann endlich bei seinem Bruder angelangt ist, und Beide kaum mehr als vier, fünf Worte miteinander wechseln, dann lässt Lynch wie so oft die Bilder, anstelle der Dialoge, sprechen, und zeigt uns den gemeinsamen Blick Zweier, die einander nach sovielen Jahren endlich wiedergefunden haben, in den nächtlichen Sternenhimmel.

So, wie sie es einst taten, als sie jung waren, und die ganze Welt noch offen vor ihnen lag.

„Great excuses make it easier / To forget that awful feeling
So smile real big / Oh precious moments
In this vague world full of fantasy“

(Lisa Germano, „Stars“)

Stellenweise ganz interessante Doku zur Entstehung von und der Resonanz auf „Wild At Heart“, noch bis zum 17.07.2025 in der arte-Mediathek abrufbar (ca. 52 Min. lang):

„Es war einmal… Wild At Heart“

Vielleicht ist es Vielen auch schon bekannt, aber großartig die Szene ab etwa Minute 15:25, wo Angelo Badalamenti erzählt und auch vorspielt, wie er mit Lynch zusammen das Main Theme für „Twin Peaks“ entwickelt hat. Auch recht hörenswert die Ausführungen von Frederick Elmes zur Farbgebung (ab etwa Minute 23:38), sowie von Randy Thom zum Sound Design (Minute 31:35). Außerdem noch Badalamentis Story, wie der sonst so sanftmütige Lynch sich eines Tages im Studio vollkommen in Rage redete, und wie irre rumschrie / aussah, ab Minute 43:40.

„Mulholland Drive“ läuft übrigens heute abend im linearen TV, ab 20:15 Uhr auf arte, und ist bereits jetzt (<— Link / Klick’ mich!) und noch bis zum 27.01.2025 in der arte-Mediathek ansehbar. Wenn mir jemand erklären könnte, wie ich bei aktiviertem Originalton die blöden französischen „Zwangs“-Untertitel wegbekommen kann, wäre ich dafür sehr dankbar. Naja, hab’ ja sonst auch noch die Blu Ray (in drei Versionen), so wild isses also nicht, aber dennoch doof.

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Habe es mir persönlich zwar noch nicht durchgelesen, aber für diejenigen, die etwas überfordert sind, gibt es zu Lynchs kryptischen Meisterwerk „Mulholland Drive“ auf folgender Seite exakt 10 Hints, die einem evtl. bei der Entschlüsselung weiterhelfen könnten.

Hier der Link:

https://www.mulholland-drive.net/studies/10clues.htm

Viel Erfolg.

Ach, das sind bloss die von Lynch vor Jahren selbst in die Welt gesetzten zehn Hinweise, welche früheren DVD-Veröffentlichungen beigelegen haben, und die IMHO allesamt auch sehr in Richtung der „Traum“-Theorie weisen (Also, dass die ersten zwei Drittel des Films (bis hin zu „Ritas“ Öffnen der Blue Box) nur Dianes herbeifantasierte Wunschtraum-Realität sind, weil sie mit ihrer Eifersucht ob des Verlassenwerdens durch Camilla und ihren Schuldgefühlen wegen des darob veranlassten Auftrags-Mords nicht klarkommt). Wer sich mal länger als fünf Minuten damit beschäftigt, und den Film einigermaßen aufmerksam verfolgt hat, kann die selbst sogar noch im Traum :wink: :smile: beantworten… IMHO nicht wirklich ergiebig. Siehe auch nachfolgend:

Spoiler: Zu Frage 10: Dass Aunt Ruth im ersten Teil des Films „working in Canada“ ist, bezieht sich zum Beispiel auf ein in Hollywood geläufiges Sprichwort, dass „if you’re working in Canada, you’re already dead.“ :wink: :smile: Also ein nicht allzu sehr versteckter Wink mit dem Zaunpfahl.

Edit-To-Add: Zur einer verständlich geschriebenen, gut durchdachten und auch einigermaßen schlüssig argumentierten Analyse der verbreiteten „Traum“-Theorie ( Betty / Rita als Fantasma von Diane, und die ersten zwei Film-Drittel als bloßer Wunschtraum) siehe sonst auch hier:

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:wink:

This card […] came with every print of Mulholland Drive that was sent out to theaters.

John Neff (Sound Department), explained the card: “The volume request was because when we heard it in the Director’s Guild Theater for the cast and crew screening, David thought it was too quiet. The picture headroom request was because of the original TV aspect ratio. These concerns have been addressed in all format releases since the original DVD release.”

Quelle: Open Culture

In memoriam David Lynch

„Now I’m in this dream place.“

„Mulholland Drive“
(David Lynch / 2001 / Blu Ray / englischsprachige Originalversion)

“Dreaming as the hours fade away / Watching as the sunlight does the same
Everything we are is on the line / Let’s pretend it’s not us tonight”

(Still Corners, „Black Lagoon“)

Die zweite Sichtung innerhalb nur weniger Tage hat mich zwar nicht so dermaßen am Boden zerstört zurückgelassen, wie das Ansehen am vorgestrigen Mittwoch morgen, war aber dennoch nicht unbedingt weniger schmerzhaft. Was vor Allem an meiner Befassung mit dem einen, einzigen Punkt liegt, in dem welchem ich meinem obigen review tatsächlich noch etwas Substantielles hinzuzufügen hätte. Und das wäre Lynchs Anerkennung des Traums als absolut eigenständiger, unbedingt erforderlicher Ebene des Realen, und eben nicht blossem Fantasma / Wunsch-Projektion, abgeschieden und getrennt von der every day reality. Ganz im Gegenteil nimmt Lynch (wie in allen seinen Filmen, hier in „Mulholland Drive“ vielleicht aber am (Über-)Deutlichsten) den Traum als eine zwingend-bedingende, (lebens-)notwendige, nachgerade unerlässlich gebotene Voraussetzung ernst und wahr, wie wohl kaum eine:e andere:r Regisseur:in sonst - als eine elementare, fundamental wesentliche Gegebenheit, in welcher das Subjekt die je eigene(n) Erfahrung(en) seiner:ihrer Lebensumstände ver- und sich an ihnen abarbeitet. „Traum“ und Fantasmagorie sind bei Lynch nie „nur“ ebenjenes, und erschöpfen sich in bloss reiner Imago, nie nur einfaches „Was wäre wenn?“, sondern übersteigen diese im Gegenteil als eine erfahrene und erfahrbare Alternative Realität, als eine „andere“, aber darum nicht per se „unwahrere“ Wirklichkeit. Wenn wir - noch vor dem Vorspann - aus Dianes Perspektive, quasi mit ihr zusammen, in den Kissen versinken, dann können wir zwar zum Einen mit Fug und Recht davon ausgehen, dass so ziemlich Alles, was sich dann die nächsten gut 110 Minuten daran anschliesst, einen „Traum“ darstellt - zum Anderen aber fühlt sich dieser Traum nicht nur vollkommen real an, sondern analog zu Diane selbst als der ihn Träumenden, erleben auch wir als Zuschauer:Innen ihn als ebenso „wahr“. Wie seine Figuren sich in einander spiegeln, im je Anderen auf- und übergehen, so sind auch Fantasma und so-called Realität bei Lynch untrennbar ineinander verschränkt, geht das Eine in das Andere über, bedingen sich beide Erfahrungsmodi / -ebenen beinahe dialektisch. Und keine von beiden Welten hat Vorrang vor der anderen. Sie sind, wie Betty / Diane, und „Rita“ / Camilla, zwar nicht ein und dieselbe (dasselbe), aber dennoch je unerlässlicher Ausdruck der je Anderen. Als Formen / Formationen von unterdrücktem Begehren, verdrängter Schuld, narzisstischer Kränkung und egoistischen (Besitz-)Ansprüchen sind sie der individuellen Psyche zwar entsprungen, entwickeln aber ein (wortwörtlich) unheimliches Eigenleben. Die imaginierte Wunschvorstellung entzieht sich der Kontrolle eines übergeordneten Egos, und übersteigt somit das bloß Traumhafte, hin zu einer anderen, darum aber nicht irgend „falschen“ oder bloß rein „erfundenen“ Wirklichkeits-Erfahrung. Konträr zu einer solch vereinfachenden Sichtweise, nimmt Lynch ebendiesen Erfahrungsmodus seiner Protagonist:Innen vollkommen ernst, und erkennt ihn somit in all seiner unentwirrbaren Komplexität an, anstatt ihn als bloße ideelle Fantasmagorie filmisch kleinzureden. Was für uns als Betrachter:Innen dazu führt, dass auch wir, wollen wir „Mulholland Drive“ als filmisches Erlebnis nachvollziehend ernstnehmen, ebenfalls diesen anerkennend-gratifizierenden Schritt machen müssen. Bettys Realität und Begehren letzten Endes zu einem Gutteil auch die unseren werden müssen - zumindest für die Dauer des Films. Was auch dessen ungeheuer schmerzhaften und eindrucksvollen impact erklärt. „Mulholland Drive“ zieht uns mitten hinein in seine Welt, und es macht somit schlussendlich auch gar keinen Unterschied mehr, was davon intradiegetisch nun „bloss“ erträumt, und was „real“ ist. Als „erfahrbar wahr“ nehmen wir Beides gleichermaßen wahr. „Don’t play it for real, until it gets real!“, sagt der Regisseur beim Vorsprechen zu Betty. Und es wird real, schmerzhaft real. Für sie selbst, ebenso wie für uns, als scheinbar bloß Zuschauende.

Wenn nun Alles, was sich innerhalb des Films ereignet, quasi gleichsam „real“ ist, ist es dann auch gleichermaßen von derselben Bedeutung, vor Allem in Bezug auf Dianes Begehren? Ja, und Nein. Wenn die sie ein ums andere Mal in Dianes Erinnerungs-flashbacks bloßstellend-vorführende, mockingly humiliating and diabolically mischievous handelnde Camilla in der Imago als sanft verwirrte, allein von ihrer als Bettys Hilfe abhängige, des Gedächtnisses (und somit auch ihrer Boshaftigkeit und verschmähenden Zurückweisung) verlustig gegangene „Rita“ erscheint, dann ist das zwar eine Wunschvorstellung, die aber eine eigene Existenz, nicht nur in Dianes Traum / auf der Leinwand, sondern eben auch in der erträumten, jetzt aber wahr gewordenen Realität dieses „dream place“ Gestalt und Eigenständigkeit angenommen hat - trotz der Tatsache, dass sie immer wieder an Betty rückgekoppelt ist. Die Disruption dieser Realität, symbolisiert durch den Besuch des Club Silencio, Bettys plötzliches Hervorholen der Blue Box, Ritas Öffnen derselben, und das Übergehen der einen Erfahrungsebene in Dianes Erwachen, machen das Vorhergegangene dadurch nicht automatisch „unwahr“, oder entwerten seine Relevanz. Ganz im Gegenteil können wir uns Dianes Lebensumstände, ihren Hass und ihre Abscheu in Bezug auf Camilla (und zu einem Teil auch auf Adam), nur durch ebenjene andere Realität des Traums erklären. Eine Realität, die auch Lynch am Ende des Films, sogar noch nach Dianes Suizid, nicht aufzugeben bereit ist. Denn auch wenn zuvor Elemente dieser Traum-Realität in Dianes Alltags-Erleben herübergeschwappt sind, als Manifestationen ihrer Schuld daran, dass sie das Objekt ihres Begehrens vernichtet hat (der Auftragsmord an Camilla, verdeutlicht durch den blauen Schlüssel): Die Liebe und Verbundenheit zwischen Betty und Rita, als Verkörperungen einer anderen, vermeintlich „besseren“ Welt, bleiben auch am tragisch-niederschmetternden Schluss von „Mulholland Drive“ noch fortbestehen - und sei es nur als phantomhafte Schemen vor dem nächtlichen Hintergrund einer Stadt der (Alp-)Träume.

DAVID LYNCH RETROSPEKTIVE

Das ist mal eine Ansage des Filmclub 813 in Köln:

Im März und April: Alle Langfilme von David Lynch!

Exzellent!

Info: https://filmclub-813.de/

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Die Technik dort ist Capital-G-grottig. Allein der Vorführraum ist eine Zumutung, Lichtquellen überall und schlechte Schallisolierung. Da wäre ich vorsichtig, bevor ich mir da irgendwas anschaue.