Die Härte von SPEAK NO EVIL (2022) (?) (Spoiler)

Ich weiß nicht, ob sich’s noch rentiert, aber wie heißt’s so schön: es ist schon alles gesagt worden, aber noch nicht von allen…

Jedenfalls scheinen wir uns soweit einig zu sein, dass SPEAK NO EVIL eine sehr gesunde Härte hat, die sich weniger aus dutzenden Szenen ergibt, sondern aufgrund der realen Qual eines dann doch singulären Ereignisses, verbunden mit einer ordentlichen Portion Hoffnungslosigkeit.

Eine andere Frage ist, ob einen diese Härte erreicht, oder ob man den Zugang verliert, weil man die (Nicht-)Handlungen der beteiligten Personen als unrealistisch oder nicht nachvollziehbar wahrnimmt.

Warum ich SPEAK NO EVIL vor allem als sehr guten Streifen erachte, hat damit zu tun, dass er eine Atmosphäre schafft, die letztere Fragen als eher irrelevant erscheinen lässt - für das Narrativ des Films, dessen eigentliche Thematik ja darin besteht (Aussage des Regisseurs), wie wir Menschen miteinander umgehen (Toleranzschwelle etc.). Dabei wird ein Setting hergestellt, das ich persönlich nicht unbedingt verstehen oder nachvollziehen muss, wo ich gewissermaßen die Eigenheiten der Handelnden a priori akzeptiere. Dabei tritt die Frage, wie ich mich selbst verhalten würde, insofern in den Hintergrund; außerdem bin ich im Rahmen des FFF sowieso in einem Modus, der mich Fragen der Logik zurückstellen lässt.

Zusammengefasst: SPEAK NO EVIL stellt eine Versuchsanordnung dar (ähnlich wie bei NOTHING etwa), die mir einfach eine Reaktion und Reflexion abverlangen will bezüglich einer bestimmten Thematik, und das Mittel der Wahl ist hier, wie heuer gern genommen, Terror. It works.

Den Vergleich mit FUNNY GAMES finde ich auch passend, wobei mein Problem mit Haneke ist, dass er mal gesagt hat, dass die Härte in seinen Filmen zeigen soll, dass Gewalt eigentlich nicht konsumierbar ist - und das sehe ich leider ganz anders. Ob mir das gefällt oder nicht; aber unter Hanekes Prämisse würden ganze Genre-Zweige redundant oder überflüssig werden, und das fände ich erstens bedauerlich und zweitens entspricht es auch nicht meinem Menschenbild.

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Ich empfinde den Film ebenfalls als ziemlich hart. Das Problem an dem Diskurs ist immer, dass Menschen zu Superlativen neigen und dann befindet man sich plötzlich in so einer Kontroverse wie bei The Sadness, wo plötzlich vom „härtesten“ Film „aller Zeiten“ gesprochen wird. In Social Media ist das ein ziemlicher Trigger, sobald ein Superlativ auftaucht, positionieren sich die einen direkt dahinter und die anderen sofort auf der Gegenseite. Denn jeder hat schonmal etwas gesehen, das „noch härter“ war und so relativiert sich alles wieder.

Um auf Speak no Evil sprechen zu kommen: Habe jetzt schon die ersten Debatten in Facebook-Gruppen gesehen, wo es damit losgeht, dass der Film relativiert wird, da die Gewalt nicht sichtbar genug sei und der Film damit doch gar nicht hart sein könne. Das ist immer der Haken an der Sache: Sobald sich Gewalt auf einem psychologischen Level abspielt (und das ist ohne Frage der schlimmste Moment des Films, wenn Agnes aus dem Auto gezogen wird und die Eltern in dem Moment realisieren, dass sie ihre Tochter nie wieder sehen werden), gibt es keinen Messpegel. Weil Menschen Terror und Härte immer nur an grafischer Gewalt messen. In meinem Review habe ich auch den Vergleich zu Funny Games gezogen, denn hier geschieht ebenfalls auf psychologischer Ebene der größte Teil. Setzt eben immer voraus, dass man Filme aufmerksam und mit Empathie für die handelnden Figuren schaut, um ihre Situation auch wirklich mitfühlen zu können.

Zum Thema Realismus und Logik: Das geht ja auch einher mit Empathie. Müssen sich die Figuren so verhalten, wie ich es als logisch erachte? Auf keinen Fall! Ich will, dass sie Fehler machen (idealerweise aber daraus lernen), ich will, dass sie in Extremsituationen geraten. Es ist immer die Frage der Herleitung: Wie wird mir der Fehler verkauft? Handeln unter Druck würde ich selten als fehlenden Realismus kritiseren. Deswegen bin ich in einem Slasher auch nie sauer, wenn die Protagonistin nach oben statt nach draußen rennt. Vom bequemen Sofa aus kann ich immer sagen, was die bessere Lösung ist. In der Situation stecken erfordert schnelle Entscheidungen ohne Nachdenkzeit.

Ich denke, Speak No Evil war ein würdiges centerpiece. Wir hatten da ja schon den einen oder anderen downer.

Außerdem steht der Film auch stellvertretend für das diesjährige Programm. Slow burn, eher trist.

Der Film hat mich an Wolf Creek erinnert. Da verschwinden ja auch Touristen.

Manches war schon unlogisch. Aber emotional hat’s mich schon gepackt. Im Sinne von Schlag in die Magengrube.

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Ich muss mich hier auch nochmal zu dem Film äußern, da ich es zwar grundlegend verstehen kann, wie man sich an unlogischem Verhalten stößt, ich mir aber mal anmaße, im Zusammenhang mit Speak No Evil zu behaupten, dass man die Grundintention dieses Filmes nicht verstanden hat, wenn man sich auf die bloße (Un)Logik der erzählten Geschichte begrenzt bzw. außer Acht lässt, dass es in dem Film grundlegend um etwas ganz anderes geht (meiner Meinung nach :wink:)

Im FFF 2022 Thread wurde beklagt, dass Szenen wie das spontane Entfernen der Zunge, das Nichtinformieren der Polizei nach den grausigen Funden bzw. der endgültigen Erkenntnis, das Anrufen und um Hilfe beten der Familie, von der man weg möchte und das Betreuen der eigenen Tochter durch einen völlig Fremden keinen Sinn ergeben. Ich behaupte: das ergibt alles sehr wohl einen Sinn, wenn man diesen Film nicht als konkrete Geschichte über ein grausam mordendes Pärchen begreift, sondern als Metapher für faschistisches Verhalten sieht, welches im Kern nur darauf abzielt, destruktiv und zerstörerisch zu wirken und sich über den Anderen zu stellen.
Es gibt ganz viele kleine Szenen, in denen sich das holländische Pärchen Dinge herausnimmt, die man als unfreundlich, frech, unverschämt bezeichnen könnte. Aber: das dänische Pärchen nimmt diese hin. Es gibt verdutze Blicke, empörte Gespräche danach, aber in den Situationen selbst können Patrick und Karin oft schalten und walten, wie sie möchten (sie machen sich über das Geschenk von Björn und Louise lustig, Patrick kommt ins Bad und putzt sich die Zähne, während Louise duscht, Karin maßregelt Agnes am Tisch und tut dies so lange, bis Louise doch endlich was sagt, Patrick gibt zu, dass er hinsichtlich seines Berufes gelogen hat und stellt das als keine große Sache hin und erntet keine Reaktion, …). Dieses Verhalten wird peu a peu gesteigert, bis es im unausweichlichen Extrem und DER zentralen Frage des Films kulminiert: „Why are you doing this to us?“ „Because you let me.“ Das ist für mich die Antwort auf all das, was in diesem Streifen passiert. Und sie hat mich später an Pasolini’s „120 Tage von Sodom“ erinnert, der im Kern genau das darstellt, was ein Kritiker einst wunderbar auf den Punkt brachte und auch zu Speak No Evil passt:

Versteht man Die 120 Tage von Sodom jedoch nicht als Produkt des Mediums Film, sondern als politisches Instrument, das eher zufällig als kinematografisches Werk in Erscheinung tritt, lässt sich eine Einordnung leichter finden. Pasolini schildert in einem als Film getarnten zweistündigen Monolog, wie ein passives Volk von seinen Herrschern vergewaltigt wird. Er geht sogar noch einen Schritt weiter und behauptet, dass die Opfer sich willentlich ihrem Schicksal ergeben und in Einzelfällen sogar mit den Tätern kollaborieren. Kurzum: Pasolini bebildert den von ihm wahrgenommenen Zustand einer Gesellschaft, die sich zu keiner politischen Revolution aufraffen kann und deshalb unter den Konsequenzen ihres Nichtstuns leiden muss.

Die Passivität (vor allem von Björn), dass sich fügen, nicht aufbegehren, sich nicht wehren führt am Ende dazu, dass sich sein Gegenüber (vor allem Patrick) alles Erlauben kann und bis zum Äußersten geht. Patrick wird nicht gemaßregelt, nicht in die Schranken gewießen, kann seine Mitmenschen so behandeln, wie er möchte. Er hat seine eigenen „moralischen“ Vorstellungen, duldet keine Widerworte, ist aber geschickt genug, seinen Gegenüber so lange einzulullen, bis dieser aus seinen Fängen nicht mehr entkommen kann.

Was ich übrigens ganz stark fand, war gerade diese Ohnmacht, diese völlige Erstarrung im Angesicht der Katastrophe. In so vielen Filmen explodieren introvertierte, sensible Menschen plötzlich und tun völlig abnormale Dinge. Ich behaupte: die meisten Menschen (mich eingeschlossen), würden sich genau so Verhalten wie Björn. Gelähmt vor Angst, zum Nichtstun verdammt (großartig: die Szene, als Patrick am Schluss im Freien uriniert und Björn die ganze Zeit auf den Autoschlüssel schaut, aber eben doch nicht rüberspringt und losfährt…). Im Angesicht solcher Extremsituationen würden glaube ich die wenigsten ihr Leben aufs Spiel setzen und handeln (denn die Hoffnung, dass doch noch irgendwie alles gut wird, ist denke ich immer da). Deshalb finde ich ihr Verhalten nicht unlogisch, sondern sogar extrem realistisch. Das dieser Film auch ganz bewusst Salz in die offene Wunde der heute so verbreiteten, gesellschaftlichen Passivität streut, ist eine andere Geschichte. Nicht anecken, ja nicht auffallen, den anderen nicht brüskieren, egal wie beschissen sich jemand verhält. Speak No Evil eben.

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Ich war ja einer der klaren Logikverfechter im Thread, daher antworte ich direkt. Eventuell hätte der Film auf mich anders gewirkt und ich würde dann auch deine interpretierte Intention nachvollziehen können, hätte der Regisseur im Einspieler vorher nicht klar gesagt, dass seine Intention eben war, den „Most disturbing danish“ Film zu drehen. Diese Aussage im Vorfeld hat natürlich dann auch die Sicht auf den Film beeinflusst.

Deine Schlussfolgerung sehe ich dann auch als merkwürdig an, die Gesellschaft funktioniert in den Film ja. Die Störfaktoren sind nicht die Opfer, sondern die Täter. Und einen Vergleich zu staatlichen Strukturen kann ich auch nicht nachvollziehen.

Was mir im Vergleich zu Haneke auffällt: Haneke sagt, Gewalt sei nicht konsumierbar und hat mit Funny Games Ein Werk vorgelegt, in dem die Gewalt reiner Selbstzweck ist. Sie ist vollständig unbegründet. Eine reine Gewalt. Und ich denke ich lehne mich nicht weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass 99 Prozent aller Leute nach funny games eher kein gutes Gefühl hatten. Mir ging es damals (war die us Version) 3 Tage lang richtig beschissen. Das soll vermutlich so sein und das ist dann auch die Wirkung von Kunst in dem Fall. Aber eben kein Konsum. In allen anderen Filmen die ich kenne ist Gewalt immer begründet. Sogar bei speak no evil ist sie begründet, deswegen ist vlt die Szene, wo das Opfer die Fotos entdeckt die schwächste Szene, weil es in dem Moment keine Versuchsanordnung mehr ist, sondern eine Begründung, einen Background, dann eben doch Sinn in die Story geben möchte. Und das ist dann der Moment wo auch zwangsläufig Logik dazu kommt. Vielleicht wollte der Regisseur zu viel. Vielleicht war er sich zu unsicher, was genau er wollte. Aber für mich geht es dann nicht auf.

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Ich muss sagen, ich kann beide Haltungen nachvollziehen. Für mich klingen boneless’ Argumente schlüssig, grade mit der Querschalte zu Pasolini, denn eines sehe ich auch ganz klar, nämlich das *eigentliche Thema des Films. Vielleicht haben wir da auch den Titel bisher zu wenig beachtet.

Auf der anderen Seite hab ich nochmal über die Figurenzeichnung nachgedacht. Gerade bei Björn merkt man doch eine latente Unzufriedenheit mit der gesamten Struktur seines Lebens, nicht umsonst ist er derjenige, der den folgenschweren Besuch anleiert. Und während seine Frau recht schnell „fremdelt“, kann er scheinbar dem Verhalten seines Gastgebers zumindest ein bisschen was abgewinnen. Die Frage ist, ab welchem Punkt das Ganze kippt, und dafür spielt sicher auch eine Rolle, dass die Beziehung des dänischen Ehepaars auch nicht so superharmonisch gezeichnet ist. Das heißt, hier wird der Punkt des Aufbegehrens nochmal in eine sehr komplexe kommunikative Anordnung gesetzt.

Ich bin aber auch bei Schuli, dass die Bemerkung mit dem „most disturbing Danish film“ letztlich kontraproduktiv war, weil sie den Fokus falsch legt, egal wie ironisch-provokativ sie letztlich gemeint war. Dass Gewalt aber in allen anderen Filmen, die Du kennst, begründet ist, kann ich kaum glauben. Dieser Überprüfung würde ja keine einzige Splatter-Komödie oder kaum ein Slasher standhalten, da geht’s ja oft, überspitzt gesagt, um die kreativsten Methoden, menschliche Körper in mehrere Teile zu zerlegen, ohne große Rücksicht auf Logik oder Notwendigkeit oder Sinn hinsichtlich eines Narrativs.

Und hier komme ich nochmal auf Voice’ berechtigten Verweis auf die Debatte zu THE SADNESS. Den mochte ich nicht, weil es mir dort genauso ging: die Gewalt nur Selbstzweck, dazu noch ohne Humor. Vor allem aber, im Unterschied zu SPEAK NO EVIL, eine nur rudimentär ausgeprägte, vielleicht sogar vorgeschobene Behauptung einer gesellschaftlich relevanten Fragestellung, über deren Nachdenken eben sehr lohnt.

Ich konnte das Verhalten der Figuren durchaus nachvollziehen. Bis auf das Ende, wo letztendlich, wahrscheinlich aufgrund einer Schockstarre, so überhaupt keine Gegenwehr kommt.

Ich fand ja die Begründung „Because you let me“ heftig, aber zutreffend. Wie weit kann Patrick gehen, bis sich ernsthafter Widerstand bemerkbar macht.

Manches war zwar frech, wie das mit der Restaurantrechnung und dem Babysitter, kann man aber auch auf mangelnde Kommunikation zurückführen.

Und das ist auch so ein Thema: Kommunikation. Björn hätte seiner Frau von dem toten Jungen oder den Fotos erzählen müssen. Einfach auch um ihr zu erklären, warum sie da sofort weg müssen. Polizei kann man dann immer noch rufen.

Die Stimmung kippte für mich spätestens bei der Tanzvorstellung der Kinder.

Ich fand es sehr gut gespielt.

Und ich fand den schon hart, grade auch auf psychischer und emotionaler Ebene.

Funny Games und 120 Tage von Sodom kenne ich (noch) nicht.

The Sadness ist zwar mega brutal, hab das da ganz gut verkraftet, weil manches nur angedeutet wird und es hoffnungslos überzeichnet ist. (Da fand ich Ichi :wink: schlimmer)

Ich kenn jetzt nicht so viele dänische Filme, aber der Regisseur hat sehr wohl einen harten Film abgeliefert.

Evtl war „begründet“ etwas unglücklich gewählt. Ich meine damit, dass es einen Grund innerhalb des Plots für die Story gibt. Psychokiller oder Serienkiller werden nicht immer bis ins letzte Detail erklärt, klar. Aber sei es ein Virus bei Zombie Filmen, Trieb bei vielen Psychokillern, Rache oder altes Trauma bei Slashern, dem Zuschauer wird irgend was präsentiert, wodurch die Gewalt „gerechtfertigt“ (innerhalb der Film Figuren, in echt ist Gewalt natürlich nicht gerechtfertigt :sweat_smile:) wird. Und Haneke hat sich dieser Begründung vollständig entledigt und nur pure Gewalt sprechen lassen. Hoffe das ist verständlicher.

Hm, welche Gesellschaft? Darauf hat mich übrigens ein Freund gebracht: ist euch aufgefallen, dass die beiden Familien in Holland so gut wie keinem Menschen begegnen? Lediglich dieser seltsame Wirt und die Handlanger aka Babysitter sind zu sehen. Ansonsten ist alles wie ausgestorben, keine Menschenseele, auch das Haus, in dem Licht brennt, ist verlassen… Deutung: Patrick und Karin leben in ihrer eigenen Welt, in der nur ihre Regeln gelten?
Der Vergleich zu den staatlichen Strukturen passt auch nicht direkt. Ich wollte das Zitat nur nicht zerpflücken. Aber ich finde schon, dass vor allem Björn unter den Konsequenzen seines Nichtstuns zu leiden hat.

Guter Punkt. Ich denke sogar, dass er neidisch auf Patricks extrovertierte, dominante Art ist und gern so wäre wie er.

Damit gehe ich konform. Schon schade, wie eigentlich nett gemeinte Intros die Bewertung eines Films beeinflussen können.

Ich fand das gar nicht so unrealistisch. Ich denke, er wollte vermeiden, dass seine Frau komplett durchdreht, wenn er sie in dieser Situation mit der Wahrheit konfrontiert. Das sie schneller aus der Haut fährt, ist ja bekannt gewesen.

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Wow, spannende Diskussion, die da mal eben entbrannt ist. Ich kann fast alle genannten Punkte nachvollziehen.

Was die herangezogenen Vergleich mit Pasolini und Haneke angeht, möchte ich noch etwas ergänzen:

DIE 120 TAGE VON SODOM ist kein Genrefilm, es ist ein Kunstwerk, ein politisches Statement und es ist offensichtlich, dass Pasolinis Werk nicht das gängige Format eines herkömmlichen Films erfüllt. SPEAK NO EVIL aber ist formal ein Thriller. Ich schreibe deshalb auch in meiner Review „…Als Genrefilm muss er sich allerdings einige Vorwürfe machen lassen, was … die Logik des Vorgehens angeht – hier scheinen Shock Value und Lust an der Provokation wichtiger gewesen zu sein, als ein schlüssiges Drehbuch.“ Sprich: Was als Genrefilm antritt, darf und muss m. E. auch als solcher bewertet werden.

Hanekes mehrfach erklärte Absicht mit FUNNY GAMES war es, dem Genrepublikum (also uns) zu zeigen, dass es schlecht ist, Gewalt zu konsumieren. Selten ging ein Bildungsauftrag so nach hinten los, wie der Erfolg des Films unter Horrorfans zeigt. Ich bin ein großer Fan von Hanekes Filmen, genieße diese jedoch unabhängig von seinen Absichten.

Und was Bjørns Motivation angeht – ein Stück weit bewundert er Patrick, aber es ist auch offensichtlich, dass er einen Crush auf ihn hat, vor allem, wie er durchs Fenster auf sein nacktes Hinterteil starrt.

Guter Punkt, da stimme ich zu. Allerdings kommen wir dann wieder zu Schulis Ansatz, der Regisseur hätte mehr gewollt (zuviel?), als er dann liefert, mindestens aber Genre-Regeln nicht sehr gut beachtet. Daraus würde nun folgen, ein Genre-Film, der zugleich hochtrabende gesellschaftliche Fragen, wie wir sie hier äußerst kompetent diskutieren :wink:, behandeln will, steht unter quasi mehrfachem Druck, in diesem Fall: die nötige Härte bieten, ausreichend Suspense natürlich, dazu noch Subtext und metaphysischen Überbau für die intellektuellen, arthousigen Gesellschaftskritiker… ne Menge Holz, sprich Anspruch!

Das sag ich jetzt nur, weil Du FFF-Stammgast bist:

Im Sinne Deines Seelenzustandes und der geistigen Gesundheit, spar’s Dir… :wink:

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Bei der spannenden Diskussion hier, hätte ich mir den Film anschauen sollen?

Um dir einen Eindruck zu verschaffen, ja. :grin:

Kurze Zwischenfrage (und die ist weder ironisch noch abwertend gemeint, sondern rein verständnistechnisch): ein Genre-Film muss bestimmte Regeln befolgen, um gut zu sein? Aber ein Film als Kunstwerk bzw. politisches Statement muss das nicht? Ich bin verwirrt. Mir war nicht bewusst, dass Filme als solche Regeln befolgen müssen.

Um mitreden zu können: ja. Aber so wie ich dich einschätze, hätte er dich sicher gelangweilt. :wink:

Also bei Sodom kann ich das ja nachvollziehen, aber Funny Games fand ich jetzt nicht so schwer verdaulich, hm. :thinking:

Oh, ich schon, ehrlich gesagt. Noch schlimmer als Sodom. Weil: fies, fies, fies, unerträglich aussichtslos. Quälen als Selbstzweck. Und viel zu real. Da bin ich ein Weichei… :wink:

Von Regeln war nicht die Rede. Ich persönlich bewerte Filme zunächst mal für sich, dann aber auch innerhalb des Genres, das sie für sich reklamieren. Also ein Gruselfilm sollte z. B. gruselig sein, damit er funktioniert. Ein Thriller sollte spannend sein, eine Komödie witzig etc. Wenn es ein Film darauf anlegt, mich emotional zu packen, dabei aber solche Logikschnitzer enthält, dass ich ihm nicht mehr folgen mag, dann hat er mit seiner Zielsetzung bei mir versagt. Und SPEAK NO EVIL macht für mich zu keinem Moment den Eindruck, er würde sein Genre transzendieren wollen. Er will schockieren und verstören und bei mir zumindest hat das aus oben genannten Gründen nur bedingt funktioniert, weil ich dem Regisseur eine gewollte Provokation unterstelle, die er in seiner Vorrede ja auch bestätigt. Und das ist mir zu billig.

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Ich muss gestehen, dass ich das Grußwort des Regisseurs ganz nett fand, aber dann auch schon wieder vergessen hab und so den Film ziemlich unbeeinflusst sehen konnte.

Von daher hat der Film durchaus seinen Magenschwinger bei mir erfolgreich angesetzt.

Es beginnt ja fröhlich in einem lichtdurchfluteten Italien mit schönen Bildern. Björn ist der treusorgende Vater, der die Stadt nach dem Kuscheltier durchforstet als es verlorengeht. (Forshadowing?). Man befreundet sich mit einer ähnlichen Familie, tauscht Adressen aus und verspricht sich mal zu besuchen. Soweit ist ja alles normal und unbedrohlich.

Die Ausleuchtung wird ja etwas dunkler als die Familien wieder zuhause sind.

Die Charakterbildung hat dann für mich begonnen. Man erkennt, dass bei Björn und Agnes nicht alles rosig ist. Björn ist in einem Leben gefangen, das er so nicht wollte. Vielleicht ein Grund, warum er letzten Endes auch nicht dafür gekämpft hat?

Patricks Frechheit beeindruckt ihn, und überrumpelt ihn. Er kann dem nichts entgegensetzen.

Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf.

Das ist für mich so ein wesentlicher Subtext in dem Film:

Björn und Agnes verkörpern ja so ein bisschen das Team „Anpassung“, speziell Agnes versucht meines Erachtens immer, alles richtig zu machen im Sinne der allgemeinen Erwartungen. Was Björn sichtbar ein wenig annervt, aber sagen tut er auch nichts dazu - man merkt es nur immer ganz kurz, weil der kommunikative Umgang etwas lauter und bissiger wird. Kleine Signale.

Ein wenig provokativ interpretiert würde ich meinen, dass der Regisseur hier auch Partei ergreift gegen ein allzu konformiertes Leben, wenn man die Folgen betrachtet.

Wenn dass die verstecke Botschaft des Regisseurs sein sollte, dann ist das vlt auch ein Grund für meine unterschwellige Abneigung gegen den Film. Würde eine Welt voller Patricks funktionieren? Ich denke nicht.
Und einer voller Anesses? Ja, auch wenn sich dafür jeder etwas zurück nehmen muss.