" I love you, whether you like it nor not!"
„Es war. Es wird nie wieder sein. Erinnere dich.“
(Paul Auster, „Die Erfindung der Einsamkeit“)
Thea Hvistendahls filmische Adaption eines Romans von John Ajvide Lindqvist beginnt quälend langsam… die ersten fünf (gefühlt zehn) Minuten sehen wir einem Mann mittleren Alters bei ganz gewöhnlichen, stupide anmutenden Alltags-Verrichtungen zu, werden Zeug:Innen, wie er seine Wohnung verlässt, das Hochhaus und die Osloer Vorstadt-Siedlung durchschreitet, um schliesslich - nach gefühlten fünf Ewigkeiten - in der Wohnung seiner Tochter anzukommen. Wo auch wieder nicht allzuviel passiert. Und, um es gleich vorwegzunehmen: Das wird den Rest des Films über so bleiben, selbst dann, wenn irgendwann die zuvor verstorbenen geliebten Menschen wieder zum Leben erwachen (lies: nicht (!!!) ins Leben zurückkehren), und apathisch, wortlos und mit glasigem Blick vor ihren Angehörigen stehen - die damit, wen wunderts?, natürlich hoffnungslos überfordert sind. In „Handling The Undead“ bewegt sich rein gar nichts, scheint sogar die Luft stillzustehen, wirken alle (eher nicht-)handelnden Personen wie gelähmt, emotional versteinert, wird so gut wie nicht gesprochen, tritt das filmische Narrativ immer nur auf der Stelle. Und: Das ist nicht nur gut so, das muss tatsächlich genau so und nicht anders! Der Film hat auf den ersten Blick so gut wie nichts zu sagen, aber wer sich die Zeit und Aufmerksamkeit nimmt, in seine karge Totenlandschaft einzutauchen, in die ohrenbetäubend laute Stille hineinzulauschen, die:der wird dann doch etwas vernehmen. Ganz leise und kaum entzifferbar zwar, aber die gewisperte Stimme von Hvistendahls schwermütig-niederdrückender Abschiedsklage sendet Botschaften, die vielleicht nicht Jede:r empfangen kann, mag oder will. Doch wer ganz genau zuhört, wird sie vielleicht doch bemerken. Man muss nur ganz bei sich selbst sein, innerlich zur absoluten Ruhe kommen, und sich auf diese melancholische Trauer-Meditation einlassen wollen. Es hilft vielleicht, wenn man selbst einmal eine Depression, und / oder einen Traueprozess durchlebt / durchlitten hat. Denn genau wie in diesem elegischen Abgesang scheint sich ja auch in einer depressiven (Trauer-)Phase nichts zu bewegen, scheint Alles anzuhalten, ist man innerlich in sich selbst gefangen, emotional auf einem absoluten Nullpunkt angekommen, selbst wie tot, erkaltet, abgestorben. Das Leben geht weiter, aber man selbst geht nicht (mehr) mit. „Handling The Undead“ schildert und bebildert genau diesen schmerzhaften Prozess, dieses Innere-Verstummt-Sein, dieses Wie-in-der-Zeit-Stillzustehen. Und wählt dafür absolut großartige Bildkader, in deren Begrenzungen die Protagonist:Innen wie gefangen zu sein scheinen, und sich nur innerhalb dieses absurd eng begrenzten Raumes bewegen zu können scheinen. Das innere Gefängnis, die Mauern, die das Trauern in uns und um uns herum baut. „Durch Gedanken aus Stein /Aus Licht eine Mauer / Eine Sonne aus Eisen / Eine Sprache aus Trauer“, um mal Blumfeld (in Anlehnung an / Fortführung von Ingeborg Bachmann) zu zitieren. Nur, dass diese „Sprache aus Trauer“ hier eben eine Sprachlosigkeit, ein Nicht-Sprechen-Können bezeichnet. Was es so Mancher:Manchem äusserst schwer machen könnte, in den Film hineinzufinden. Aber dann ist das eben so. Muss ja auch nicht. Es steht ja auch nicht Jede:r 30 Minuten lang auf einer Kunstausstellung vor einem monochromatisch eingefärbten Bild und verliert sich für gefühlte Ewigkeit im Rausch der Farbe(n) - und nein, ich leide nicht unter dem Stendhal-Syndrom… Für mich persönlich jedenfalls war „Handling The Undead“ eine ganz wunderbare Grenz-Erfahrung, das (Wieder-)Nachempfinden eines emotional-biographischen Ausnahmezustands, und ich bin sehr froh, ihn dann doch noch mitgenommen zu haben, und Rosebud überaus dankbar, das auch so sperriges und und für Viele unzugängliches Arthouse-Kino (immer) noch seinen Platz auf dem Festival findet.
„Handling The Undead“ ist eine Träne aus den glasig-leeren Augen Deiner Geliebten, während Du ihr die strähnigen Haare auskämmst.
„Handling The Undead“ ist der allerletzte Blick, den Du Deiner Ehefrau zuwirfst, die letzte alberne Abschiedsgeste, nicht wissend, dass dies ein Abschied für immer sein wird.
„Handling The Undead“ ist Deinen Sohn im Arm zu halten, und diese grenzenlos-unendliche Liebe zu ihm zu verspüren, und gleichzeitig Dir bewusst zu sein, dass Du ihn (ein zweites Mal) gehen lassen musst, so schmerzlich das auch sein mag.
„Handling The Undead“ ist, ganz eng mit der Person Deines Lebens zu tanzen und dabei Nina Simones Interpretation von Jacques Brels „Ne me quitte pas“ zu lauschen, während sie all die Worte sagt, die Du nicht aussprechen kannst.
„Handling The Undead“ ist all das, was war, und nie wieder sein wird.
Erinnere Dich.
Und wenn es aber doch wieder sein könnte?
Was würdest Du tun?
Would you love them back, whether you’d like it or not?
„If you love somebody, set them free.“
(Sting)