FFF 2024 - Fantasy Filmfest

Das war schon ein seltsames Gefühl gestern nachmittag, am allerletzten FFF-Tag in Hamburg - ein bisschen wehmütig, dass es nun doch so schnell schon wieder vorbei ist (war es nicht gerade eben erst noch Freitag, der 13te ? Die ersten zwei Tage hatte ich ja einfach mal geskipped… aber wie flott ging das büddechööön wieder rum?), ein wenig froh aber auch, dass nun endlich wieder der Alltag Einzug halten kann, und man nicht jeden Nachmittag / Abend im schummrigen Kinosaal und den anschliessenden Vormittag mit dem Abtippen endloser Text-Murksereien, die am Ende ja doch nur wieder Keine:r liest / lesen mag, verbringen „muss“… Und sooo schönes Spätsommerwetter wieder, und on top of that dann auch noch drei ganz wunderbare Filme - Ach Kinners, macht es mir doch nicht auch noch so schwer, mit dem Festival-Abschied :smiling_face_with_tear:… aber gut, spätestens im Januar seh’n wir uns dann ja Alle (?) wieder.

Okay, kommen wir dann mal zu den gestrigen Filmen - los ging’s mit „Steppenwolf“

Finding Timka

In einer post-gesellschaftlichen, kaum bevölkerten Steppen-Ödnis, in der nur noch das Gesetz des Stärkeren zu herrschen scheint, bittet die junge Mutter Tamara den brutal-verrohten staatlichen Folterknecht Brajyuk, ihren verschwundenen Sohn Timka wiederzufinden. Gemeinsam machen sich die Beiden unter einem weiten, ausgeblichenen Himmel auf eine Reise durch ein im Verschwinden begriffenes Land, in dem die üblichen Regeln menschlichen Zusammenlebens schon lange keinen Bestand mehr haben - ein desolater road trip mit ungewissem Ausgang…

Der kasachische road trip-Western „Nosorog“ präsentiert seine trostlos-nihilistische Szenerie in trotz der dargestellten Tristesse betörend fotografierten Aufnahmen, die sehr schön mit der räumlichen Tiefe / Bildvorder- und Hintergrund arbeiten, und die beeindruckende Weite der kärglich-tristen Landschaft in wundervoll offenen Totalen einfangen. In dieser Umgebung wirken die Menschen, die sich durch diese lebensfeindliche Szenerie bewegen, wie in ihr verloren, bar jedweder Emotionen oder Gefühlsregungen. Die soziale Hölle, in der Mord und Hinrichtungen an der Tagesordnung sind (in diesem Kinojahr neben „Civil War“ wohl der Film, in dem das ständige Knallen der von Jedem getragenen und eingesetzten Schusswaffen das Publikum wohl am heftigsten im Kinosessel hochschrecken lässt… zu Beginn jedenfalls, denn nach einer Weile gewöhnt man sich schon fast daran, und muss aufpassen, nicht selbst abzustumpfen, ob des andauernden Rumballerns), und in der die Gewehrläufe mehr und öfter sprechen als die Menschen, hat ihren impact bei allen handelnden Personen (von Charakteren im eigentlichen Sinne kann man hier kaum sprechen, so skizzenhaft und schemenartig umrissen wirken die Figuren) hinterlassen - Tamara ist ob der sie jederzeit und allerorten umgebenden Gewalt kaum noch in der Lage, überhaupt einen vernünftigen Satz zu artikulieren, und der brachial-brutale Brajyuk hat für die Welt, durch die er sich, alle Anderen tötend und verstümmelnd, bewegt, nurmehr ein hohles, jedwedes menschliche Mitgefühl verachtendes Lachen übrig. Toxic masculinity multiplied by a zillion times. So etwas wie Hoffnung, Empathie oder gar Altruismus darf man in und von diesem Film nicht erwarten. Zumal sich auch jedweden Kommentars zum narrativen Geschehen / bildlich Gezeigten enthalten wird. Wie die Protagonst:Innen mit sich selbst und ihren Gefühlen mutterseelenallein gelassen, so sind auch wir als Zuschauende ganz auf uns selbst zurückgeworfen, gibt es hier keinerlei einordnende oder bewertende textuelle Regie-Hand. Was es Einer:Einem vermutlich nicht gerade leicht macht, diese schonungslos-realistische, erbarmungslos-unerbittliche no bullshit-Variation von „Sisu“ meets „You Were Never Really Here“, gefilmt in Stil eines deprimierenden Neo-Western, irgendwie zu mögen, oder wenigstens zu verstehen. Denn zu verstehen, da gibt es hier nichts (mehr). Weder für die involvierten Figuren, noch für uns als Betrachter:Innen. In „Steppenwolf“ ist jeder noch so kleine Anflug von Menschlichkeit längst vom Antlitz der Erde getilgt, existiert nur ein grimmig-grausames In-die-Welt-Geworfen-Sein. Das muss man aushalten und ertragen können, sonst wird man es vermutlich sehr schwer haben mit dieser niederschmetternd finsteren, trotz der landschaftlichen Weite keinen Ausweg zulassenden, und auch angesichts der lichthell beschienenen, windumtosten Steppe keinen einzigen Lichtstrahl zeigenden, zynisch-rohen Monstrosität von Film. Ich persönlich mochte „Steppenwolf“ in all seinem freudlos-reduzierten Stil und seiner stumm-ausdrucksarmen Bildsprache, in seiner stoisch-misanthropen Machart, aber sehr sehr gerne, und würde ihn momentan sogar - zusammen mit der humanistischen Vampirin - auf den zweiten Platz meiner favourites des diesjährigen FFF-line ups einordnen, direkt nach dem belgischen Power-Duo „Else“ und „Skunk“. Genau wegen solcher Filme gehe ich aufs FFF !!! Und das umso mehr, als dass man die danach ja vermutlich nie mehr wieder irgendwo auf der grossen Leinwand zu sehen bekommen dürfte… Für mich selbst quasi schon der (nicht ganz so) perfekte (dafür aber subjektiv passgenaue) persönliche Abschluss-Film… Alles, was danach noch kommen sollte, konnte eigentlich nur noch eine Zugabe sein…

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