Ok, dann hier mal meine Sicht auf CERTAIN WOMEN. Ich finde es immer wieder erstaunlich wie unterschiedlich man Filme wahrnehmen kann. Als ich gestern das Kino verließ dachte ich das das ein ziemlich persönlicher Film von Kelly Reichardt war, der vermutlich für sie selbst bedeutender wäre als für ein Publikum. Und schon eines besseren belehrt 
Ich fand ihn so lala. Alle einsam. Passt sehr gut in unsere Zeit zwischen Herbst und erstem Schnee. Viele dunkle Szenen. Ein bisschen Witz, ein bisschen Melancholie, wenig Musik. in jeder Hinsicht unspektakulär. Der Begriff muss kein allgemein negatives Werturteil sein, aber mir kam da zu wenig rüber. Sie greift lose die Themen Erinnerungen und Partnerschaft auf, oder des sich ausgesetzt fühlenden Individuums das seinen Weg sucht.
Merke, das ich dieses Jahr beim Filmfest besseren Zugang zu den energetischen, druckvolleren Filmen finde. Die Besetzung gefiel mir. Neben PERSONAL SHOPPER der zweite Film dieses Jahr mit Kristin Stewart.
Mit ELLE hat Paul Verhoeven Mut bewiesen. Und trifft voll ins Schwarze. Aus der Ausgangssituation einer Vergewaltigung eine solch ungemein unterhaltsame Komödie entstehen zu lassen, tja, vielleicht kann nur er das. Erwischt den Zuschauer ein ums andere Mal knallhart. Dabei vergisst er nicht zum Nachdenken anregende Zwischentöne ohne die der Film leicht zur Farce hätte werden können. Großes Kino. Großartig vor allem Isabelle Huppert. Es ist eine Wonne ihr zuzuschauen.
Kein Zweifel das Verhoeven damit zurück ist. Frankreich wird ELLE als Kandidat ins Oscar Rennen schicken hat man offiziell auf der Premieren Vorstellung verkündet. Ist das ein Oscar Film? Hmm… Am ehesten würde ich Isabelle Huppert einen Oscar geben wollen für die Hingabe, Ironie, den Biss und die Leidenschaft mit der sie ihre Figur spielt.
Neben Verhoeven’s Kompromiss losen Over the Top Stils konnte ich unterschwellig ein Hauch dieser magisch-mystriösen Stimmung wie aus den letzten Filmen De Palma’s (FEMME FATALE, PASSION) spüren.
Dieses Jahr konnte ich bislang zwei Filme ausmachen, deren Beschreibung und Trailer meiner Wahrnehmung nach nicht besonders gut den Film widerspiegeln, die Vermarktung etwas irreführend ist.
Zum einen ist das THE MINE, der als packender Umweltthriller beschrieben wird. THE MINE hat eine außerordentlich nüchternen Stil, eine sachlich-ruhige und Dialog reiche Erzählweise. Mehr als ein filmischer Thriller entspricht sein Feeling dem einer Doku, dafür ist er jedoch zu sehr Spielfilm. Es ist wirklich kein Film auf den der Begriff packend zutrifft. Analog dazu ist der Charakter der Hauptfigur so ruhig und nachdenklich angelegt und wegen einiger Gewissensfragen außerdem unentschlossen, das hier kein Gegenpol entsteht und der Film eher auf der sachlichen Ebene verweilt.
Der Trailer wiederum vermittelt den Eindruck von Größe, weiten Bildeinstellungen und wenn nicht Action, dann doch mehr Bewegung als es der Film am Ende hat. Die (Luft-) Aufnahmen der Mine waren in der Tat beeindruckend und machen die Größenordnungen deutlich, das Verhältnis zum Umland und das Ausmaß des Eingriffs in die natürliche Landschaft. Mit diesen Bildern hat der Trailer jedoch bereits die meisten dieser Art verheizt; Der Großteil der Handlung spielt innerhalb von Räumen, meist in Büros. Seine Nüchternheit wird auf der Bildebene durch den ebenfalls nüchternen Farbstil unterstrichen. Wäre nicht das Thema und der an realen Tatsachen orientierte Plot mit Verwicklungen in die Politik potenziell spannend, man könnte den Film durch die gewählte Inszenierung beinahe als langweilig beschreiben.
Vom Zuschauer wird ein gehöriges Maß an Aufmerksamkeit gefordert, da das gesprochene Finnisch wie Untertitel mit hohem Tempo passieren.
Stilistisch gibt es außerdem zahlreiche Zeitsprünge (hin und zurück) von einigen Jahren, die gerade in der Anfangsphase zusätzliche Konzentration auf die Inhalte erfordern.
Wegen seiner begrenzten cineastischen Qualitäten und dem Faktor Sprache kann man den Film daher auch getrost im Heimkino oder TV schauen und auf eine Synchronisation hoffen.
TWO LOVERS AND A BEAR hat auch nicht so ganz einlösen können, was seine Beschreibung vermittelt. Nun gut, zugegeben, ich weiß nicht was ich wirklich erwartet hatte…das eher nicht. Wenn es heißt zwei Liebende lassen alles hinter sich und brechen auf in die Wildnis, vermittelt das zumindest ein vages Bild…
In einem Dorf mit 200 Einwohnern im äußersten Norden Kanadas befinden sie sich bereits zu Beginn des Films am Rande der Zivilisation. Lieben sich, streiten und kämpfen beide mit ihren eigenen Ängsten. Erinnerungen und Ängste sind etwas individuelles und können unabhängig von Zeit und Raum existieren. Solange wir sie nicht loslassen, nehmen wir sie mit, sogar bis ans Ende der Welt.
Und dann ist da diese spleenige Idee mit dem Bär. Kann man lustig finden, von einigen habe ich gehört sie fanden das überflüssig. Mir hat die Idee gefallen. Doch im Großen und Ganzen wirkte TWO LOVERS… auf mich wie ein unausgegorener Genremix aus Romanze, Liebeskomödie, Drama und Horrorfilm mit einem kleinen Schuss Realismus. Für den sorgten die ansprechenden Aufnahmen der Schneelandschaft im Norden Kanadas und die Bilder der Nordlichter. Dafür lohnt sich die Kino Leinwand.
Hypnotisch, wie beschrieben, war seine Wirkung nicht auf mich. Absurde und komische Momente gab es einige. Das Ende, spirituell und poetisch hat mich angesichts des Story Verlaufs überrascht.
Der Film wird seine Freunde finden und sollte auch im Kino geschaut werden, doch mir war er etwas zu zerfahren. Mehr Prägnanz und eine klarere stilistische Richtung wären den Inhalten evtl. dienlicher gewesen. Ansonsten in Ordnung.
Gestern brach Erschöpfung über mich hinein und ich brauchte eine Pause vom Filmfest. Also habe ich auf EL TOPO verzichtet. Eine Karte hatte ich glücklicherweise noch nicht.
Ganz vergessen ein paar Worte zu PER SONG zu schreiben. Vermutlich weil ich ihn möglichst schnell vergessen will? Auch 70 Minuten können sich lang anfühlen. Aber hey, damit muss man rechnen, wenn man sich Debutfilme anschaut und mir ist es (manchmal
) lieber mir die ersten Gehversuche von Regisseuren anzuschauen und mal enttäuscht zu werden als stumpf-monotone Hollywood Blockbuster mit bekanntem Muster zu wiederholen.
Ich bin in den Film gegangen, weil mir die Stimmung mit dem Karaoke Song aus dem Trailer so zusagte. Die Szene und der Song kamen dann im Film gar nicht vor. Vermutlich weil diese noch aus dem Kurzfilm stammte, die dem Film vorausging und der Schere zum Opfer fiel. Na ja 
Regisseur Shuchang Xie studiert in Hamburg (Ja, immer noch.) an der HBFK und war auch anwesend. Zur Zeit arbeitet er an seinem Abschlussfilm.
PER SONG beginnt mit einem sehr anstrengendem Monolog. In fast 10 Minuten sehen wir eine junge Frau in schnellen Worten und noch schnelleren Untertiteln über das Leben lamentieren. Die Kamera statisch auf die Person gerichtet. Diese starre, monotone Kamera wird den Zuschauer häufig begleiten wenn sie Jugendliche bei ihren Streifzügen durch Stadt und Clubs -meistens bei Nacht- begleitet, während sie sich mit einen Haufen Lebens Fragen befassen. Antworten gibt es nicht. Der Film hat halb dokumentarischen Charakter. Für kurze Panorama Ansichten bewegt sich die Kamera, zeigt den Fluss oder eine Sicht auf die Silhouette der Stadt. Ich fand den Film stilistisch wie thematisch ermüdend. Eine Idee des Regisseurs von Rhythmus und filmischer Vision schwappte aber leicht durch.
Im Q & A gab es einen Mann, der sagte in komplizierten, politisiert gefärbten Worten, er sei vor ca. 30 Jahren einmal in China gewesen und wäre erschrocken wie verwestlicht es mittlerweile sei und das China und die Menschen offenbar so verwahrlosen usw. Und erntete dafür in Raunen, Staunen und Murmeln ausgedrücktes Unverständnis vom Publikum.
Die Moderatorin hat das gut gehandelt und die Frage komprimiert an den Regisseur weitergegeben, der die Aussagen genau wie das Publikum offenbar nicht ganz nachvollziehen konnte und sich eine Antwort mit dem Hinweis auf die subjektive Sicht auf die Dinge erspart hat.
Ich bin doch ein wenig verwundert: Der Herr mag sich etwas befremdlich ausgedrückt und damit schon im Kern ein wenig Unverständnis provoziert haben, doch muss man sich doch über so eine Aussage eigentlich nicht wundern wenn man Bilder, Szenen und Inhalte zeigt wie:
Eine weinende junge Frau, aus der die angestauten Emotionen vieler Jahre ausbrechen.
Häufig Alkohol und Zigaretten im Bild
Ein Heranwachsender, der über Geldsorgen und die Verteilung des Erbes nachdenkt.
Jugendliche ohne Antworten auf ihre vielen Fragen.
Wohnungen/Zimmer, in denen sich (Konsum) Güter bis unter die Decke stapeln, so das man kaum noch darin gehen kann.
Ein Stadt Moloch ohne größere Grünflächen (zumindest werden sie hier nicht gezeigt).
AIDS als Thema
Ein Film, der eher dunkel statt hell ist (das meiste spielt nachts) und den Mond der Sonne vorzieht.
u.a.
Also ehrlich Leute, viel positive, erhellende Dinge werden hier nicht gezeigt/behandelt. Man darf mit Kritik bei Studierenden und ihren Filmwerken von mir aus gerne zurückhaltender sein aber ich wundere mich über diese mangelnde oder einseitige Reflektion besonders des Publikums. Seht ihr wirklich so wenig? Sind das die Ideale von Orten und Gesellschaft für Euch?
