Midsommar

Nun hab ich zwei Wochen nach Beendigung des FFF den Streifen gesehen, der wohl - nichts gegen den netten, aber harmlosen SCARY STORIES - der perfekte Abschlussfilm gewesen wäre: MIDSOMMAR.

Der beim FFF immer wieder laufende Trailer (nicht ganz so oft wie “AUGGIE…?” - “STELLA…!”) hat ja schon mächtig Appetit gemacht, wie ich fand, aber damit hab ich dann doch nicht gerechnet. Für mich hat der legendäre WICKER MAN seinen neuzeitlichen, würdigen Nachfolger.

Wie ich in der DEADLINE lesen durfte, kategorisiert Ari Aster seinen Film als “Märchen”, aber da würde mich doch mal die Meinung der Community interessieren. Mal ehrlich, der verscheißert uns doch, einen astreineren Horrorfilm hab ich selten erlebt - und das ohne ermüdende Jump-Scares oder die üblichen Mätzchen und bekannten Tricks. Pure Atmosphäre und die Kraft einer ungewöhnlichen Geschichte, nicht völlig neu, aber mit seltener Konsequenz in punkto Kamera-Arbeit oder Score.

Was doppelt schade war, denn obwohl ich in einem netten, von studentischen Publikum frequentierten Programm-Kino war, hätte das FFF-Publikum doch erheblich besser gepasst. Ich vermute mal, der Saal wäre dann nicht beim Abspann bereits zu einem Viertel geleert gewesen… da hatten einige doch nicht ganz gewusst, was sie erwartet.

Mich interessiert Euer Eindruck auch diesbezüglich, weil ich MIDSOMMAR schließlich für einen der beängstigendsten Filme überhaupt halte, auf einer Ebene etwa mit WENN DIE GONDELN TRAUER TRAGEN (DON’T LOOK NOW)…

Ich hoffe, ich spoilere nichts, wenn ich nach diesem Masterpiece sage: The sun ain’t gonna shine any more.

Midsommar konnte nicht auf dem FFF laufen, weil der offizielle Starttermin vor Beendigung des FFF lag :wink:

Edit: Der Film ist klasse! Wenn auch kaum überraschend für mich, aber das kann man dem Film nicht ankreiden…

Ready or Not und 3 from Hell hatten beide den gleichen Starttermin, daran kann es nicht gelegen haben.

OK, ich dachte die sind nach Abschluss des FFF erst gestartet…

Midsommar wäre ein grandioses Centerpiece gewesen, als “Rausschmeißer” wohl eher nicht soo unbedingt geeignet.

Der Film ist schon ein einzigartiges Brett. Natürlich ist der Inhalt in vielerlei Hinsicht nicht die ganz große Überraschung, aber hier ist der Weg das Ziel, und der ist schlichtweg atemberaubend. Bilder, Sound und Musik sind überragend, wie auch das intensive Spiel der Leading Lady. Wunderschön und zugleich zutiefst verstörend, ja streckenweise richtig unangenehm zu schauen. Ich war zutiefst geplättet.

Ich habe vor einiger Zeit den Director’s Cut gesehen - und war extrem begeistert:

Wenn man einen 171-Minuten-Film vor sich hat, macht man sich bereits im Vorfeld auf einiges gefasst. Oft strapaziert der Regisseur eines Filmes mit solcher Länge die Nerven der Zuschauer mit künstlich aufgeblähten Einstellungen und viel Leerlauf.

Doch bereits die ersten 13 Minuten, noch vor der Titeleinblendung, sind dermaßen intensiv, dass ich verkrampft mit schweißnassen Händen dasaß. Ein Gefühl, welches sich über die gesamte Filmlänge zwar etwas mildern sollte, dafür aber immer wieder von derartig extremen Szenen überschattet wurde, dass mein persönliches Stresslevel immer konstant hoch war.

Über der Geschichte einer Gruppe Amerikaner, welche von einem Freund tief ins schwedische Hinterland geführt werden, um dort das zweitgrößte Fest nach Weihnachten, die Sommersonnenwende, mitzuerleben, schwebt konstant das Gefühl latenter Bedrohung. Gefangen in einer Welt voller unbekannter Traditionen, mischt sich immer mehr der Horror einer völlig undurchsichtigen Gemeinschaft, deren extravagante Verhaltensweisen immer bedrohlicher wirken. Dabei sind es selten wirklich objektiv vorhandene Bedrohungen, welche dieses Unwohlsein auslösen. Vielmehr ist es die Tatsache, dass die Teilnehmer zunehmend ihren eigenen Willen verlieren, um sich fernab der eigenen Selbstbestimmung dem Willen der Gemeinschaft zu fügen. Was als altertümliche Tradition beginnt wird langsam aber unaufhaltsam zu den Praktiken einer skurrilen Sekte.

Ari Aster inszeniert hier ein ruhiges Horror-Drama, welche seinen Horror schleichend dafür aber umso heftiger entfaltet. Durch Mark und Bein gehen nicht nur die Bilder, auch die sich effektiv zurückhaltende Soundkulisse wird mit jedem Ton verstörender. Kein Jump Scare, keine unnötige Musik und Gott sei Dank auch keine klassischen Sekten-Klischees.

Midsommar ist in seinem Director’s Cut jetzt schon ein Meilenstein im Horror-Genre, den man gesehen haben muss. Selten war Horror erschreckender….

Interessant, dass hier alle Midsommar so toll finden. Ich habe bisher eher negatives von dem Film gehört. Zu lang, zu ideenlos, nicht gruselig sondern brutal und langweilig war so der Tenor, den ich wahrgenommen habe.

Vielleicht sollte ich ihn mir ja doch ansehen.

Unbedingt ansehen.

Für das 08/15 Mainstream-Publikum, das Filme wie Annabel 3 oder Insidious 15 feiert mag Midsommar bestimmt zu viel sein. Es ist ein ruhiges Horror-Drama, welches seine Bedrohung eher durch die immer dichtere Atmosphäre entfaltet (in diesem Punkt eher mit The Witch zu vergleichen). Wie man einen solchen Film als nicht gruselig oder ideenlos bezeichnen kann entzieht sich mir völlig.

Ich möchte nur kurz meinen Unmut darüber zum Ausdruck bringen, dass der Film, auf den ich mich in den letzten Monaten am meisten gefreut habe, in Frankfurt nur spät abens läuft. Wegen der langen Laufzeit kann ich ihn deshalb wahrscheinlich abschreiben. Argh. Man kann Horrorfilme doch auch mal um 17 oder 19 Uhr zeigen, im Kinosaal ist es eh dunkel.

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“Gruselig” soll er ja auch gar nicht sein. Es ist im Prinzip ein Mystery-Drama, das einige explizite Schauwerte liefert. Mit Fokus auf Wirkung, nicht auf Jump-Scares.

Habe den Film im Kino gesehen und am Ende gab es sogar Buh-Rufe. Ist wirklich nichts für Leute, die sich sonst “Wahrheit oder Pflicht” reinziehen. Würde “Midsommar” da sogar eher neben einem “Hagazussa” sehen, das auch von Sog und Wirkung lebt.

Hier muss ich entschieden widersprechen. Midsommar ist extrem gruselig. Nur darf man eben Grusel nicht mit Erschrecken verwechseln. Es gibt in Midsommar so viele Szenen, die mir einen Schauer über den Rücken jagen. Möchte aber jetzt nicht spoilern, deshalbb will ich es dabei belassen.

Ich finde es schade, dass in der heutgen Zeit klassische Elemente eines “Gruselfilmes” kaum noch mit den Sehgewohnheit des aktuellen Kinos in Einklang gebracht werden können. Die letzten Jahre haben dem Kinopublikum antrainiert, dass man sich dann gruselt, wenn man sich auch erschrickt. Am besten erreicht man das durch die von mir verhassten Jump Scares. Wenn man sich aber Filme wie Tod Brownings Freaks oder Bis das Blut gefriert ansieht, dann gruselt man sich extrem - ohne auch nur einmal zu erschrecken

Knapp hinter “Parasite” und neben dem “Goldenen Handschuh” mein Jahresbester bis jetzt. Hypnotischer, verstörender und zugleich wunderschöner Albtraum. Zwar ist der Verlauf der Geschichte nicht gerade voller Überraschungen, aber das Wie ist entscheidend. Es gibt einen ganzen Haufen beeindruckend inszenierter Szenen, die Kameraarbeit und das Spiel mit Licht, Farben, Unschärfen ist vorzüglich, die Zeichnung der Charaktere gelungen. Die Besetzung passt, der Score ist auch schön creepy, der Humor komt auch nicht zu kurz und alle Zutaten zusammen ergeben 147 beeindruckende Minuten. “The Wicker Man” ist natürlich immer präsent, aber Aster zieht schon sein eigenes Ding durch.
Freue mich schon auf den DC.
9/10

GENAU SO seh ichs auch. Der ach so abgefeierte „ES“ war das ungruseligste was ich seit Jahren gesehen habe. NUR laut und jumpscares, typisch generischer Teenie-Horror. Öde.Midsommar ist genial !!!

Genau, auf der Handlungsebene mag er Schwächen haben, wenn man darauf nur aus ist, dann kann ich die Kritik am Film verstehen, es knallt und bummt halt nicht alle 10 Minuten - da können die Spacken, die gerne im Kino zum Handy greifen schon mal unzufrieden reagieren… Wer aber auf Atmosphäre und mulmige Stimmung aus ist, der findet hier eine Perle. Mal so am Rande und unter uns, getoppt wird das vom Joker, gestern in der Sneak gesehen und der Film ist ein Brett!

Neben Midsommar hätte ich mir GENAU DEN so sehr auf dem FFF gewünscht, war einer meiner Vorschläge für 2019. Soll ultradüster sein, bin schon sehr gespannt.

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Den hatte ich beim FFF ausgeschlossen, allerdings auch für die Sneak, unverhofft kommt oft und nun kann ich mich auf eine Zweitsichtung in 70mm in einer Woche freuen, sollte sich lohnen, denn die Optik ist einer der vielen hervorragenden Aspekte des Films! Meine hohe Erwartung wurde übertroffen, aber die ging nicht in Richtung Comicverfilmung :wink: Ggf. sollten wir einen eigenen Thread zu dem Film aufmachen, oder?

Bei uns in Nürnberg lief er auch nur in der 1. Woche um 21.00 und 23.00 Uhr, jetzt noch um 21.30 Uhr und ab Donnerstag erst um 22:15 Uhr. Ich habe ihn mir gestern angesehen, weil ich noch Urlaub habe.

Und ich fand ihn richtig verstörend, voller Atmosphäre und Schrecken, der einen bis zuhause noch verfolgt und einen auch nach Sichtung nicht mehr so schnell loslässt. Und hier finde ich, die Vorhersehbarkeit macht ja diese Art Film aus, dass man ahnt, dass etwas Schreckliches passieren wird, man weiß nur nicht genau, was und wann das sein wird. Sicher einer der verstörendsten Horrorfilme dieses Jahres, wenn man sich denn auf so etwas einlassen kann.

Aber auch ich plädiere dafür, dass auch Horrorfilme zeitlich etwas früher laufen, und wenn schon nicht um 17.00 oder 18.00 Uhr, dann doch wenigstens um 20.00 Uhr, noch dazu bei der Lauflänge.

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Kleine Frage am Rande.
Kann ich Midsommar eigentlich aktuell irgendwo in seinem Director´s Cut 171 Minuten noch im Kino sehen? Oder war das nur ein Festival Screening in dieser Länge?
Eure Kommentare machen mich jetzt schon ziemlich neugierig auf eine Sichtung.
Der Trailer am FFF hat mich eigentlich bisher ziemlich blass hinterlassen.
Aber vielleicht ist da ja auch gut so?

Außerdem würde ich gerne noch etwas näher ergründen wollen, ob ein Grusler auch Erschrecken darf/soll/muss oder ein Schocker auch ein Grusler sein muss?
Gehört beides nicht eigentlich irgendwie zusammen?
Die künstlichen Jump Scares würde ich hier mal ausklammern wollen.

Den 171min Director‘s Cut hat es nie im Kino gegeben, soweit ich weiß auch nicht auf Festivals.

Aktuell gibt es den DC exklusiv über AppleTV in den USA

Nachdem die guten Stuttgarter Innenstadtkinos den Film nach dem offiziellen Start auch nochmal in der untertitelten Originalfassung gezeigt haben, konnte ich mir MIDSOMMAR nun auch noch im Kino ansehen. Hier meine Review.

Zwei Artikel von Consequence of Sound und Indiewire (mit massiven Spoilern!) erläutern recht umfangreich, welche Szenen im Director’s Cut erweitert wurden.

Am 2. Dezember 2019 erscheint im cinephilen Frankreich eine Bluray mit beiden Versionen. Vermutlich nur mit französischen Untertiteln, aber so viel Schwedisch wird ja nicht gesprochen. Außerdem war das Schwedisch in der US-Fassung wohl auch nicht untertitelt, um die Wirkung des Fremden und der Ausgegrenztheit noch zu verstärken. Die OmdU-Kinofassung war allerdings komplett untertitelt.

Edit: Offenbar [erscheint der DC in UK bereits Ende Oktober auf BR:

Edit (28.10.19): Jetzt wurde auch die deutsche Blu-Ray inkl. DC angekündigt – für den 7.2.2020.

Und hier auch noch ein genauer Schnittbericht der beiden Fassungen.

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