Oscars 2020

Über den künstlerisch ambivalenten und kommerziellen Bedeutungsverlust der Oscars müssen wir hier nicht reden, aber ein paar Anmerkungen verträgt’s aufgrund des Ausgangs vielleicht doch…

Dass PARASITE so abräumt, ist doch eine sehr hübsche Überraschung, speziell bei der Konkurrenz heuer. Tut sich da was in Hollywood, wie seht ihr das? Auf 1917 kann ich sehr gut verzichten, gut gemacht, klar, aber braucht’s wirklich noch nen Kriegsfilm, der mir eigentlich nichts über das Heute erzählt und einen narrativen Kniff anwendet, den wir in BIRDMAN und VIKTORIA schon in Perfektion gesehen haben?

Dass mit Bong-Jong Hoo ein Indie-sozialisierter, schon beim FFF gern gesehener Regisseur (SNOWPIERCER war schon großartig), sich bei der Oscar-Rede ein Tete-a-Tete mit Scorsese liefern kann, finde ich, pfeif auf Mainstream-Diss, einfach wunderbar. Und dass die alten Seppl aus der Acadamy offenbar doch in der Lage sind, koreanische, untertitelte Sprache zu würdigen, hätte ich nie gedacht.

Die technischen Oscars für 1917, geschenkt.
Kostüme für LITTLE WOMAN, geht auch klar, genauso Pitt und natürlich Phoenix für die Performance als Joker.

Öde finde ich Zellweger für JUDY, den ich wieder als typisch dämliche konventionelle Wahl seh, wenn man ne Hollywood-Ikone nachspielt und so halbwegs passabel selber singt… gähn. Die viel zwingendere Wahl wäre Saoirse Ronan oder Scarlett gewesen, letztere vor allem auch für die Nebenrolle im tollen JOJO RABBIT, obwohl Laura Dern hier schon auch geht.

Kennt jemand die beste Doku und kann mir was erzählen? Der ist bisher an mir vorübergegangen…

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Ich bin sehr positiv überrascht von den Ergebnissen und ebenso nervt mich der Tag danach immer, weil man überall im Netz auf viel Polemik und Ignoranz stößt.

Habe mich für Parasite gefreut, als sei das mein eigener Film. Umso mehr muss ich jetzt wieder über die Reaktionen abkotzen, die mir auf Facebook so begegnen: “Von dem Film habe ich noch nie gehört, der hat nur aus politischen Gründen gewonnen!”, “Wer schaut denn asiatische Filme, die Schauspieler kann doch keiner auseinanderhalten!”, “Ich kenne Parasite nicht, aber Joker wäre viel verdienter!” Da könnte ich mich echt reinsteigern, bei soviel Ignoranz.

Zellweger für Judy finde ich auch ganz schlimm. Bei manchen Stoffen ist das so knallhart kalkulierend, dass sie im Oscar-Rennen landen werden.

Auch nervt mich die deutsche Berichterstattung, die sich mal wieder nur auf Wesentliches konzentriert: Joker & Brad Pitt. Als gäbe es gar keine anderen Themen zu dieser Verleihung.

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Ignorier die doch, also die Berichterstattung. Ich hab vorhin mal einen kurzen Ausflug ‘Oscars 2020’ auf YouTube gemacht. Das braucht kein Mensch, “10 most awkward moments”, "moments you missed ", reaction Videos auf reactions,…

Messe dem ganzen eh nicht allzu viel Bedeutung bei. Es ist doch letztlich nur eine Show, eine gut gemachte, das muss man sagen. Für die Ausgezeichneten ist es eine Marktsteigerung, keine Frage.

Ich ärger mich höchstens am nächsten Tag, dass ich mir mit dem Werbemarathon wieder einmal die Nacht um die Ohren geschlagen hab. :wink:

Ansonsten bin ich auch ziemlich überrascht. Hatte fest damit gerechnet, dass ‘Once Upon’ das Rennen macht. So filmhistorisch und kulturell selbstreferenzierende Sachen mögen die doch an sich ganz gerne da in Hollywood. :wink:

Ich fands dieses Jahr besonders “kurios”, dass diejenigen Filme, die 10 oder 11 Nominierungen hatten, nicht wie bisher fast immer, dann auch 8 oder so abgeräumt haben. Sondern eher hier mal einer für “1917”, da mal einer für “Joker”… “Ford v Ferrari” hatte ich so mal gar nicht aufm Schirm. Und dann der Knaller mit “Parasite”. Und wie wäre es mit Steve Martin UND Chris Rock als Hosts für nächstes Jahr? :wink:

Da bin ich ganz bei Dir, nur rege ich mich nicht mehr so darüber auf, wie früher. Die meisten Menschen haben doch sowieso keine Ahnung - von nichts. Jeden Tag das selbe schlechte Futter im Trog, Verblödungs-TV, Kommerz ohne Anspruch, keine Kultur, kein Geschmack, garnix. Wenn auf meiner Facebook-Seite, auf der ich etwa 200 Freunden Filmempfehlungen ausspreche, mal mehr als 2 (!!!) likes und „danke, der war toll“ stehen, bin ich schon begeistert.

Freuen wir uns einfach für Parasite und über diesen elitären, gemütlichen kleinen Off-Filmclub hier! :smiley:

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Round about fand ich die Veranstaltung dieses Jahr wirklich nicht ganz verkehrt. Und irgendwie hab ich dieses Jahr etwas leichter bis zum späten Ende also Morgen durchgehalten als bisher und wurde dafür mit einem “parasitären” Erfolg belohnt.
An meinem gewohnt konservativ geprägtem Tipp Ergebnis musste ich zwar feststellen, dass ich dieses Jahr ziemlich daneben lag, sich aber andererseits scheinbar viele neue Blickwinkel in der Acadamy geöffnet haben!?
So gleich verteilt wie dieses Jahr waren die Oscars wohl noch nie? Die Fortführung der Präsentation ohne Single Moderation finde ich absolut erfrischend und bringt wesentlich mehr Diversität mit ins Spiel, als die alte egomane Show mancher Selbstdarsteller das bisher hatte.
Bei dem Eminem Auftritt dieses Jahr hat man dann aber doch die tief verwurzelte konservative Grundhaltung der “Audience” mal wieder wunderbar mitbekommen. First of all war es mega peinlich, das Eminem dem Playback nicht immer synchron folgen konnte, aber noch viel peinlicher war die Tatsache, das viele Promis verzweifelt versucht haben wie Ghetto Gangster künstlich dem Beat zu folgen im Abendkleid, im Sakko und mit wippenden Köpfen. NO NO NO.
Bleibt doch bitte sitzen, wippt nicht mit und schaut einfach nur zu, das ist einfach nicht Euer Ding!!! Das ist einfach nur peinlich.
Und warum lasst Ihr bei der Reminiszenz an verstorbenen Legenden wie Doris Day oder Kirk Douglas ein junges Fohlen “Yesterday” zwitschern?
Es gibt wohl immer Kritikpunkte, aber die Acadamy scheint trotzdem dazu zu lernen!?
Das Thema Rassismus sollte dieses Jahr hoffentlich aus der Welt geräumt worden zu sein und auch endlich bei der spiesigen Audience angekommen zu sein!?
Sorry, dass ich das jetzt noch extra erwähne, aber Tom Hanks in der ersten Reihe, scheint mir diesbezüglich noch ein harter konservativer Knochen zu sein? Und davon scheint es leider noch viele in diesem “Happy Hollywood Zirkus” zu geben!?
Aber es gibt intern Acadamy Veränderungen und extern einen koreanischen Gewinner, der uns hier im Forum sowieso am meisten am Herzen liegt.
Wir hatten ihn zwar nicht am FFF, hätten ihn aber wahrscheinlich dort gefeiert und freuen uns jetzt halt einfach in uns rein.

In Deutschland hätte man dazu bestimmt auch noch im Takt GEKLATSCHT! :smile:

Das seh ich ein bisschen ambivalent: Billy Eilish ist für mich ein durchaus interessanteres Exemplar eines Jugend-Hypes, denen ich sonst eher abwertend-kopfschüttelnd gegenüberstehe - wirkt latent schwermütig, inszeniert sich jenseits üblicher Sexy-Hupfdohlen-Autotune-Exzesse, mitsamt Tourette und Synästhesie, schreibt ihre Sachen selbst (okay, mitsamt dem älteren Bruder)… und die Musik ist, wenngleich etwas überbewertet, ganz okay. Auch ihre Yesterday-Interpretation fand ich, nun, angemessen und ganz in Ordnung. Was ich sagen will: wenn jemand wie Billy Eilish die heutige Jugend begeistert, hab ich die Hoffnung auf Geschmackskompetenz noch nicht ganz verloren.

Ganz im Sinne unserer Film-Leidenschaft fand ich die Musiknummern der großartigen Janelle Monae (die ich eben auch als Schauspielerin sehr schätze, man denke an die Performance im schönen MOONLIGHT) und Cynthia Erivo sehr beeindruckend.

Insgesamt hat man, zumindest bei der Academy, den Eindruck, dass sich bezüglich der Konservatismen die Dinge bewegen - sehr langsam, aber doch. Vielleicht überschätze ich aber auch all die kleinen Zeichen und Subtexte (Pitts Anspielung auf das Impeachment, Chris Rocks Witze über die Steigerungsrate schwarzer Nominierter und den Cop-Rassismus, Portmans Kleid mit den Namen der nicht nominierten weiblichen Regisseure…) und es sind alles nur Feigenblätter, um sich dem Ruf des liberalen Hollywood entsprechend in Szene zu setzen.