„I still believe in God, but God no longer believes in me.“
(Wayne Hussey / The Mission, „Wasteland“)
Seven Layers Of Blood And Dirt, Fifteen Years Of Hate And Hurt
„Furiosa: A Mad Max Saga“
(George Miller / 2024 / Kino (DCP) / englischsprachige Originalversion / Zweitsichtung)
Eines gleich vorweg: Über Film(e) zu schreiben, ist ja generell schon keine immer ganz einfache Sache. Was und wie die Bilder auf der Leinwand in uns als Zuschauer:Innen Emotionen wecken, uns zum Nachdenken, Mitfiebern und Um-bloß-ausgedachte-Figuren-Bangen-Lassen bewegen, uns mit weit geöffneten Augen träumen lassen, in geschriebene Worte zu übersetzen, wird wohl immer ein fragmentarischer und lückenhafter Prozess bleiben. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, eine Binsenweisheit, ja - aber eine überaus treffende. Was aber sagen dann tausend Bilder, bzw. sagt man selbst im Umkehrschluss über tausend Bilder, die uns einem nicht enden wollenden Strom von Sinnesreizungen gleich, während des Kinobesuchs von „Furiosa“ aus der Leinwand heraus in den Kinosaal hinein schwappend zu überschwemmen und hinfort zu spülen drohen? Wie Millers Protagonistin, die ob all der Bestialitäten und menschlichen Barbarei, welche sie mitanzusehen gezwungen ist, im Fortgang des Films mehr und mehr verstummt, so werde auch ich beim Schreiben dieses reviews um jedes einzelne Wort ringen, wohl wissend um die Vergeblichkeit, der übervollen Bilderpracht des neuesten Eintrags ins „Mad Max“-franchise auch nur annähernd gerecht werden zu können. Dieser Text kann nur, wird sicherlich und muss wohl auch scheitern beim Versuch, das beschreiben zu wollen, was sich letztlich dann doch nur fühlen und erleben lässt. Und dennoch: Selten zuvor habe ich die Notwendigkeit, mich zum Sehen und Empfinden eines Films äussern zu wollen, nein, äussern zu müssen, mehr empfunden als zu George Millers latest trip into the bleak postapocalyptic desolation of the australian wasteland.
Was für Befürchtungen man im Voraus auch immer gehabt haben mag, ob etwas zu artifiziell-offensichtlicher CGI-Bilder in den Trailern, oder nach dem Lesen der ersten Presse-Vorführungs-Kritiken - nach den ersten fünfzehn Minuten sind sie alle wie weggeblasen. Der Auftakt-motor bike chase über und durch die Sanddünen ist mal wieder von dieser bestechend-effizienten Klarheit, von dieser absolut logisch-schlüssigen Stringenz, wie sie wohl nur ein George Miller so makellos hinbekommt. Jedes kleinste Detail passt perfekt, so wie auch jeder einzelne Handgriff der die dirt bikes immer wieder neu umbauenden und rekonfigurienden Figuren sitzt (analog der Vorgehensweise des Regisseurs, der Bildgebung und Erzählfluss auch dieses Mal wieder perfekt an die Anforderungen seiner Geschichte anpasst). Jede neue Nuance, jede scheinbar ach so unbedeutende Winzigkeit, die uns über das Agieren der Charaktere enthüllt wird, erzählt fast schon eine eigene kleine Geschichte. Der Pragmatismus, die Anpassungsbereitschaft und die Leidensfähigkeit, welche die Handelnden im Angesicht der extremen Lebensfeindlichkeit ihrer Umgebung an den Tag legen müssen, bestimmen hier jede einzelnen Schritt, jedwede Bewegung und Regung. Schon der kleinste Fehler kann in so einem hostile environment tödlich sein - und just das werden wir noch oft genug vorgeführt bekommen. Wenn Furiosas Mutter Mary Jabassa, auf dem höchsten Punkt des Dünenkamms liegend, die wohl tödlich-treffsichersten Kopfschüsse der Filmgeschichte verteilt, wenn die nomad biker in sekundenkurzen fachmännisch eingeübten Bewegungsabläufen die Tanks und Räder ihrer gestrandeten Vehikel ab- und neu anbauen, dann erzählt uns all das mehr über diese Welt und ihre Figuren, als es jeder endlose Redeschwall je könnte. Wie bei Miller üblich und altbekannt, so vollzieht sich auch hier wieder das world building primär über das Tun und Machen, über Aktionen und Reaktionen, denn über platte Dialoge oder weitschweifende Erklärungen. Es braucht keinerlei langatmige Exposition, diese Welt ist einfach.
„Furiosa: A Mad Max Saga“ ist die bislang beste (und vermutlich auch einzige) Verfilmung eines episch-ernsthaften Endzeit-Steampunk-Marvel-Comics, den es doch nie gegeben hat. Wo in den Vorgängern vor Allem noch Western, Samuraifilme und dystopische Sozialdramen Pate standen, so hat sich Miller hier stark von graphic novels und Anime-Ästhetiken beeinflussen lassen, und bedient sich eben mal einfach ungehemmt und ungeniert am kompletten Fundus und Bild-Archiv der gesamten bisherigen Filmgeschichte. Sandalenfilme, Bibel-Dramen, Historienschinken, das MCU, Tragödien antiker Prägung - es wird munter drauflos geplündert, was die Kino-Historie eben gerade hergibt, und dem Herrn Regisseur zweckdienlich erscheint. So, als wäre Miller selbst ein marodierender raider im Ödland, der sich nimmt, was er eben braucht und kriegen kann. Die entsprechende Bebilderung des Leinwand-Geschehens ist dabei von einer ausufernd-ungesunden Überfülle, dass es für uns als Zuschauende beinahe schon an eine reizüberflutende Überforderung des Sehens grenzt. Wo „Fury Road“ ein perfekt aufeinander abgestimmtes, auf den Punkt genau sättigendes und Appetit auf mehr machendes, exakt austariertes Drei-Gänge-Menü war, da ist „Furiosa“ ein überladenes, üppig-exzesshaftes Buffet, ein kein Ende finden wollendes, überquellendes Bankett für nimmersatte Kino-Enthusiast:Innen. Sodass man fast schon an den Punkt gelangt, an dem man ein unangenehm drückendes cineastisches Völlegefühl verspürt. Und Netzhäute sowie Bildergedächtnis um Gnade betteln, ob der schieren Überreizung von Sehnerven und Bildverarbeitung. Doch Miller kennt kein Pardon. „Da müsst ihr jetzt durch, ob ihr wollt oder nicht!“, scheint er nicht nur seiner titelgebenden Protagonistin zuzurufen, sondern auch uns Kinobesucher:Innen. Und wie die abrupt hinten ans Motorrad gebundenen Opfer von Dementus’ Bikergang, so werden auch wir von dieser Monstrosität von Film einfach immer weiter mitgeschleift, über die ganzen zweieinhalb Stunden lang - egal, ob wir das aushalten können oder nicht. „Furiosa“ ist nichts Anderes als eine Film gewordene Zumutung. Darauf kann man sich nicht vorbereiten, das kann man nicht erwarten, das muss man über sich ergehen lassen. Und doch ist der Streifen von einer ungemein verstörenden Opulenz, einer betörenden Brutalität, dem überlebensgrossen Gemälde einer postgesellschaftlichen Höllen-Szenerie, eines Alles und Alle verschlingenden, Niemanden verschonenden Fegefeuers gleich. Die Bilder atmen eine höllische Schönheit, eine becircende Grausamkeit, dass es uns bei ihrem Erblicken sowohl einem feurigen Schauer ähnlich überläuft, als auch angesichts ihrer lethalen Eiseskälte unwillkürlich frösteln lässt. Wie Mary an Baumstämmen aufgespannt gefoltert und ermordet wird, das hat in seiner Bildsprache schon beinahe etwas von der abstrakten Künstlichkeit, die Zack Snyder damals zur Illustration seiner deftig-groben Schlachtplatte „300“ heranzog. Doch wo Synders mackerhaftes Gemetzel sich im Testosteron-Überschuss in misogyn-chauvinistischen Untertönen und allerlei rassistisch-nationalistischen Ausfällen erging, da verfolgt Miller mit dieser formalistischen Ästhetisierung einen ganz anderen Zweck. Denn wäre die Veranschaulichung all der nimmer endenden cruelty und humiliation, welche die junge Furiosa mitansehen und ertragen muss, von einem dreckig-rücksichtslosen Realismus wie dereinst in „Mad Max 2“, so wäre all dies auch für uns als zum Zuschauen Gezwungene kaum erträglich, und würde darob einer banalisierenden Lächerlichkeit anheimfallen. Durch die Wegführung vom konkret-veranschaulichten Sachverhalt in einen eher in seiner ausgestellten Gemachtheit verallgemeinernden Modus des Artifiziellen schafft Miller es jedoch, das nicht Verarbeitbare all dieser Brutalitäten vor dem veralbernden Flüchten ins Nicht-Ernstnehmen-Wollende zu „retten“ - und somit gerade in der Künstlichkeit und im Nicht-Draufhalten / Wegbewegen der Kamera in jenen Momenten einen Grad an luzider Schonungslosigkeit zu erreichen, wie er es anhand einer lebensechten Darstellung niemals bewerkstelligen könnte. Eine exzessive Verbildlichung von physischer Gewalt ist gar nicht mehr vonnöten - ihr emotional impact auf die Charaktere sagt uns Alles, was wir wissen müssen.
Die erste Dreiviertelstunde bis sechzig Minuten von „Furiosa“ gehören fast allein Alyla Browne und Chris Hemsworth - und es braucht auch die Fokussierung auf diese Beiden, um das Ausmaß und die Tiefe ihres persönlichen Grundkonflikts zu etablieren. Wie unglaublich ausdrucksstark Browne dabei agiert, und sogar ihre schon herausragende performance aus „Sting“ nochmal um ein Vielfaches übertrifft, ist absolut sehenswert. Und von mir aus hätte es diesen time jump zur erwachsenen Furiosa fast gar nicht gebraucht - es hätte mir ohne Weiteres auch vollkommen ausgereicht, noch zwei bis drei Stunden lang ihrem jüngeren Ich dabei zuzusehen, wie es nach seiner Entführung aus der trügerisch-vergänglichen Kindheits-Idylle des Garten Eden-haften Paradieses in diesem nihilistischen Pendant eines postapokalypischen Bildungsromans die grimmig-grausige Welt kennen und hassen lernt und sich gezwungen sieht, sich aller Abscheu zum Trotz in ihr zurecht finden zu müssen. Hemsworth als jovial-selbstverliebter, überdreht-alberner Ganganführer Dementus, der mit seinem farbpatronenbestäubten Brautschleier (was dann so aussieht, als wäre jener blutverschmiert) und seiner karnevalesk-„Wrestlemania“-haften Kostümierung wie das weirde cross-over eines griechischen Halbgottes und der Parodie eines beliebigen Eurovision-Song-Contest-Teilnehmers wirkt, spielt immer nah (oft vielleicht auch zu nah) an der Grenze zur schmerzhaft-selbstdemontageartigen Satire. Seine Figur lässt sich in all ihrer debilen Selbstüberschätzung und dem lächerlich-pfauenhaften Herumstolzieren, ihrem ganzen Fremdscham hervorrufenden Habitus darum auch kaum wirklich ernstnehmen. Was sie als ultimatives Zerrbild des prototypischen „Mad Max“-Antagonisten aber wiederum in dieser Camouflage-artigen Überstilisiertheit des Endzeit-Dramas Miller’scher Prägung als ganz gut aufgehoben verortet. Denn mit „Furiosa“ hat Miller nunmehr auch den allerletzten Schritt getan und sein Werk endgültig in den Zustand des Überzeitlichen transformiert, das setting ein für allemal im Außerweltlichen angesiedelt. Was es umso plausibler erscheinen lässt, dass er auch narrativ den Bogen (über)spannt vom biblisch Allegorischen und archarisch Tragödienhaften, über das schmutzig-skrupellose Rachedrama, bis hin zum schwelgerisch-breitbildleinwandigen Historien-Epos. Von der Genesis im ersten Buch Mose, bis hin zur schonungslosen Gerechtigkeit der Judit, von „Hamlet“ bis zu „Richard der Dritte“, von Antigone bis zu Iphigenie, von „Lady Snowblood“ bis zu Kurosawas „Ran“ - Millers polychromatischer Reigen ruft sie Alle auf, wie ein ungestümer Ritt durch die Geschichte des bewegten Bildes. Das wasteland ist bloss noch ein cinematograpischer Spielplatz, auf dem sich Regie, Kamera und colour grading ungehindert austoben können. Und dennoch in all seinem überbordenden Einfallsreichtum und seiner übersprudelnden eigenen Detailfülle voll ihm selbst eingeschriebener Geschichtlichkeit eine klar lokalisierbare, geograpisch abmessbare Größe. Da gibt es Madenzüchterinnen, die in beengten Erdlöchern ihre abstoßend-eklige Lebendnahrung auf Leichen und dahin siechenden Körpern Sterbender gedeihen lassen, da scheint jeder abgelegene Winkel der Zitadelle mit einer eigenen Vergangenheit gekennzeichnet, die sich in individuellen Einrichtungs-Details offenbart, da ist jeder auch noch so kurz auftretende Charakter bis in die letzte Hauptpore von je subjektivem, stellenweise nur momenthaft aufscheinendem Eigenleben erfüllt. Eine atmende, vibrierende, im Herzschlag des Lebens pulsierende, unvorstellbar plastische und glaubhaft erschaffene Welt.
Die Action-Szenen, welche dieses Mal mehr in den durchaus wechselnden Rhythmus einer epochal-epischen Geschichte eingeflochten werden, anstatt dass sie für sich selbst stehen, sind auch hier wieder Herzstück und Prachtmomente des grossen Ganzen. Wenn die war boys die Motorräder von Dementus’ Gang an vom Himmel herabbaumelnden Haken in die Höhe ziehen, wenn das war rig (in einer vollkommen wahnsinnigen Sequenz, die an überkandidelt wirkenden over the top-Momenten nur so wimmelt) von der Biker-Bande des abtrünnigen Octoboss unter Beschuss genommen wird, wenn Bagger und Kräne beim Kampf um die bullet farm zum Einsatz kommen, dann ist all das auch hier ein weiteres Mal perfekt choreographiert, auf den Punkt genau durchgetaktet, in all seiner kirre machenden Gleichzeitigkeit dennoch immer übersichtlich bleibend, und mittels seines hervorragenden Schnitts allzeit im Fluss seiend. Die nunmehr völlig losgelöst agierende und wild entfesselte Kamera geht dabei, wohin sie will, macht, was sie kann, ist mal ganz nah dran, und dann in der nächsten Sekunde wieder in einer Gesamt-Draufsicht, dass es Einem beinahe schwindelig werden könnte - aber niemals wird. Weil Miller eben ganz genau weiss, was er da in jedem einzelnen Moment warum macht, wie er jedes einzelne frame derart in Beziehung zum vorangegangenen und darauf folgenden setzen muss, dass er uns zwar mitten rein zieht ins Geschehen, aber dabei nie verliert. Die gelegentlich tatsächlich sehr stark als solche erkennbaren CGI wirken dabei eigentlich so gut wie nie störend, sondern verstärken im Grunde genommen diesen Immer noch Eins drauf setzenden, comichaften Gesamteindruck noch. Und auch in den seltenen Momenten, wo das Bild wirklich mal für einen Sekundenbruchteil leicht murky erscheinen mag, bleibt Millers Vision immer kristallklar, und sein Blick fürs Wesentliche präzise scharf, so als würde er selbst durchs Zielfernrohr eines sniper rifle blicken.
Es ist überaus erfreulich, dass dieses epic scope, zu dem Miller seine Endzeit-Welt im neuesten Ableger eröffnet und erweitert / verbreitert, sowohl in geographischer Hinsicht als auch in Sachen narrativer Perspektive tatsächlich ungemein gut funktioniert. Die postapokalyptischen Ödlande sind in ihrer Verortung, ihren Ausmaßen und der Verbundenheit ihrer einzelnen locations jederzeit von glaubhafter und nachvollziehbarer Dimension. Ebenso ist der storytechnische Verlauf, das pacing der Geschichte und das stete Auf und Ab von ruhigen, stärker in die erzählerische Tiefe gehenden Charaktermomenten und involvierend-mitreissenden action set pieces durch eine immanente Schlüssigkeit und eine sich nie von der Narration entkoppelnde, sondern stets im Dienste der Erzählung stehende Folgerichtigkeit und Nachvollziehbarkeit gekennzeichnet. Oftmals waren es sogar eher die stillen, kurzen Momente, die mir bedeutend näher gingen als all das wummernd-rabiate Action-Getöse. Wenn in ultrakurzen, fast traumartig in Szene gesetzten Rückblenden und Gedankenfetzen der sternenübersäte Nachthimmel als backdrop für Furiosas Erinnerungs-flashes dient, oder wenn Furiosa und Jack hoch oben über der Zitadelle in einer Felsnische mit weiter Aussicht über das Ödland einen viel zu schnell vorübergehenden Moment von trauter Zweisamkeit genießen, beispielsweise. Was die Nebenrollen angeht, so sind deren diverse Verkörperungen mal mehr, mal weniger gut gelungen. Tom Burke als stoisch-geduldiger, gutmütig-liebevoller Praetorian Jack ist als einzige Person, die Furiosa so etwas wie aufrichtige Freundschaft, ehrliches Verstehenwollen und hilfsbereite Anteilnahme entgegenbringt, eine wirkliche Bereicherung für den Film. Vom Aussehen her an einen jungen 1970er-Stacy Keach erinnernd, spielt er eine Figur, die vor fünfundzwanzig oder dreissig Jahren prädestiniert für einen jüngeren und agileren Johnny Depp gewesen wäre. Lachy Hulme dagegen ist als Neubesetzung von Immortan Joe nur ein blasser (<— pun intended) Schatten der dämonischen Präsenz des leider ja verstorbenen Hugh Keays-Burne aus „Fury Road“. Charlee Fraser als Mary Jabassa in ihrer erst zweiten Rolle hat mir auch gut gefallen, und hat eine tolle Leinwand-Präsenz.
Sie sei während der Dreharbeiten von „seven layers of blood and dirt“ bedeckt gewesen, habe sich bei einer Filmproduktion noch nie so alleine gefühlt, und Alles, von dem sie vorher geglaubt habe, dass es einfach sein würde, wäre ihr unvorstellbar schwer gefallen, gab Hauptdarstellerin Anya Taylor-Joy zu Protokoll. Auf die Nachfrage, was genau es denn gewesen sei, das ihr so schwergefallen wäre, blieb sie eine Antwort schuldig. „Talk to me in 20 years.“ war Alles, was sie sich dazu entlocken ließ. In short: Sie muss eine wirklich wirklich harte Zeit am Filmset gehabt haben. Und das wohl umso mehr, als dass George Miller sie zudem anwies, so gut wie Alles an Gefühlsregungen, emotionaler Expression und Charakter-Entwicklung allein mit den Augen auszudrücken. Unter schmierig-rußigem war paint, mit versteinert-festgefrorenem, fast schon maskenhaftem Gesichtsausdruck, sind es eben auch diese ihre mittlerweile schon zu ihrem unverwechselbaren Markenzeichen gewordenen, absurd großen Augen, auf welche die Kamera ein ums andere Mal fast schonungslos fokussiert. Und dabei dann offenbart, dass und wie Taylor-Joy mit ihrer Rolle struggled. Denn dieses „Allein-mit-den-Augen-Spielen“ klappt mal mehr, mal weniger gut bis stellenweise auch gar nicht. Es gibt Momente, da lässt sich beinahe Alles an diesen Spiegeln der Seele ablesen, da offenbaren diese Fenster ins Innerste eines Menschen fast schon zuviel vom geschundenen Seelenleben der Furiosa. Und dann sind da aber auch wieder und wieder jene Augenblicke, in denen man Taylor-Joy überdeutlich anmerkt, dass sie nicht Alles preisgeben kann und will, nicht jede noch so kleinste Gefühlsregung mit dem Publikum zu teilen bereit ist. Absurder Weise ist es dann aber genau dieses Mit-Sich-Selbst-und-der-Figur-Ringen, das Taylor-Joys Schauspiel und auch dem Charakter nur mehr eine weitere, ohne diesen kräftezehrend-bemühten struggle wohl nicht vorhanden gewesene Facette hinzu addiert. Denn für Furiosa, wie auch für Taylor-Joy, wie letzten Endes auch für das Publikum heisst es darum umso mehr: Sich-Durchbeissen-Müssen. Dieses Durch-die-Mangel-Gedrehtwerden, diese bis weit über die eigenen Grenzen gehende, fast schon unzumutbar scheinende Tortur aushalten. Um daraus nur umso gestärkter hervorzugehen. Bis sie schliesslich am anderen Ende als „The darkest angel of all“, als unerbittlich-gnadenlose Rächerin ihre Wiederauferstehung erlebt. Was Taylor-Joy der Überpräsenz einer Charlize Theron, der sie hier sowohl in puncto reine Physis als auch in Sachen expressiver Mimik nicht das Wasser reichen kann, in muskulöser Agilität und schauspielerischem Können nachsteht, das gleicht sie allein mit purer Willensstärke, zornig-stechendem Blick und unglaublicher Leidensfähigkeit wieder aus. Einzig im finalen Showdown, in dem sie - um ihre Figur noch überlebensgrösser und mythenhafter erscheinen zu lassen - etwas zu penetrant aus der Untersicht gefilmt wird, wünscht man sich stellenweise dann aber doch Therons packende Unmittelbarkeit aus „Fury Road“ zurück. Überhaupt, dieses oft und lautstark kritisierte Finale: Gerade hier, wo - in krassem Gegensatz zum ganzen vorhergegangenen Film - so überaus viel gesprochen wird, ist eben genau dieser eigentlich nichtssagende Dialog-overkill IMHO umso mehr vonnöten, um noch ein allerletztes Mal zu zeigen, dass der kontrastierende Antagonismus, diese unversöhnlich-unüberbrückbare Differenz zwischen Furiosa und Dementus bedeutend tiefer geht, als Worte das jemals ausdrücken könnten. Dass wir als Zuschauende dann sogar über die genauen Umstände von Dementus’ endgültigem Schicksal im Unklaren gelassen werden, ist nochmal ein schöner narrativer Kniff zum Abschluss eines rundum gelungenen Films, der als fast gleichwertiges companion piece neben Millers ununstrittenem Opus Magnum „Fury Road“ auch in Zukunft Bestand haben wird. Der uns Bilder in den Kopf gesetzt hat, von einer beinahe schon unweltlichen bizarren Schönheit, dass wir sie nie mehr vergessen werden. Der uns die traurig-triste, grausam-verstörende Geschichte eines Mädchens und dessen Frauwerdung in einer barbarisch-schonungslosen Endzeit geschildert hat, in der dennoch nicht alle Hoffnung verloren scheint, solange es wenigstens noch einen Pfirsichkern hat, mit dessen Verpflanzung in und dessen Nähren von der schwindenden Existenz der alten Ordnung, erwachsend aus der in rücksichtslosem Egoismus kodierten brutalen Männlichkeit einer überkommenen Welt, neues Leben und die Frucht einer besseren Welt reifen kann. Und eben deshalb ist der sekundenkurze cameo von Max als fan service zwar ganz nett, eigentlich aber vollkommen überflüssig. Denn allerspätestens mit diesem Film hat sich die franchise unwiderbringlich von Max als Protagonisten emanzipiert. Die Zukunft gehört „Furiosa“ allein. Und sie wird gar fürchterlich wundervoll sein.
Sodass es auf Dementus’ im Finale gestellte Frage „Do you have it in you to make it epic?“ letztlich nur eine Antwort geben kann:
„Are you fucking kidding me?“
Wenn ihr es wider Erwarten tatsächlich geschafft haben solltet, bis hierhin dran zu bleiben: Congratulations. Auch wenn ich sonst ja schon nicht gerade dafür bekannt bin, mich angenehm kurz zu fassen, die Dinge knapp und prägnant auf den Punkt zu bringen und fix lesbare Texte zu verfassen, so habe ich dieses Mal doch schon das Gefühl, als wäre diese Bleiwüste mindestens so lang wie der ihr zugrunde liegende Film. Ob sie dann aber auch nur halb so unterhaltsam, informativ und kurzweilig ist wie ihr Bewegtbild gewordener Topos, das müsst ihr dann schon selbst wissen. Wer es noch nicht zwischen den nicht enden wollenden Zeilen heraus gelesen hat: „Furiosa: A Mad Max Saga“ ist ein brachial-betörender Bildersturm von epischen Ausmaßen, ein Auteurfilm im Gewand eines Multimillionen-Dollar-Blockbusters, ein Alles niederbrennendes Fegefeuer von persönlicher Erniedrigung und unstillbarem Rachedurst, eine bis auf allerhöchste Beschleunigung gepushte coming-of-rage(© @Frank / „Rendel“-review)-Höllenfahrt, ein wild brüllendes Ungetüm von einem Film, eine alle Grenzen sprengende cineastische Ausnahme-Erfahrung, wie ihr in diesem Kinojahr wohl keine zweite machen werdet. Tut Euch selbst und Eurem filmfanatischen inner self den Gefallen, kauft Euch eine Kinokarte und seid mit Euren eigenen Augen Zeuge, wenn es heisst: „Witness her!“
Denn dieser Film ist etwas, das eine unbegreifliche Singularität im Kino-Universum darstellt.
Ein psychedelisch-rauschhaft bebildertes monumentales Rachedrama von Zeit und Raum überspannender universaler Gültigkeit, das sowohl Euren Verstand als auch Sehgewohnheiten heillos überfordern wird. Und Ihr werdet jede einzelne Sekunde davon abgöttisch lieben.
Und Alyla Browne als verschlossen-verlorenes wrathchild sowie Anya Taylor-Joy als düster-unnachgiebiger Racheengel Furiosa sind seine Fleisch und Blut gewordenen Verkörperungen.
And if some day, for whatever fucked up reason, she might be coming for you, well, then there’s only one advice that I can give you:
The Stars be with you.
"I live for the burn and the sting of pleasure / I live for the sword, the steel and the gun
I can tear down the walls, and storm the barricades / Run to the place where the frightened crawl
Desire lurks beyond good and evil / So I dance on the graves where the hallowed fall
Over this land / All over this wasteland"
(The Mission, „Wasteland“)
Nailed to a fiery metal cross of red hot suffering, fueled by an unquenchable thirst for revenge
Addendum, von dem ich inständig wünschte, dass ich es nicht hätte schreiben müssen: So sehr ich den Film auch genossen habe (bei der gestrigen zweiten (und garantiert) nicht letzten Kinosichtung sogar noch bedeutend mehr als beim ersten Ansehen)… die letzten gut dreißig Sekunden, die in meinen Augen eine vollkommen unnötige und mehr als überflüssige typische Prequel-Sünde darstellen, kann ich durchaus noch verschmerzen. Das für mich passende und den Film stimmig abrundende, sowie den Kreis zum Anfang perfekt schliessende Schlussbild wäre gewesen, wenn Furiosas Hand den Pfirsich, der am aus Dementus langsam aufgezehrt werdendem Körper herauswachsendem Baum hängt, abpflückt und man dann nur noch das krachende Geräusch vernimmt, wie sie genüsslich hineinbeisst. Aber nun gut, Miller hat sich anders entschieden. Was ich dagegen aber gar nicht verknusen kann, was mir partout nicht in den Holzkopf will, und was für mich nicht nur einen unentschuldbaren Frevel, sondern sogar ein kaum fassbares Sakrileg darstellt, ist die brunzdumme und affenblöde Idiotie, dass Miller sich nicht zu schade dafür ist, im Abspann mal eben den kompletten „Nachfolge“-Film „Fury Road“ zu spoilern! Aaaaaaargh !!! Ich meine, klar kann man argumentieren, dass in einer gerechte(re)n Filmwelt sowieso schon Jede:r das 2015er-(Jetzt-ja-)Sequel (mindestens) einmal gesehen habe sollte, aber zum Einen ist dem nunmal leider nicht so, und zum Anderen werden nachfolgende Generationen von Filmfans, welche sich zuerst „Furiosa“ zu Gemüte führen und danach dann erst historic auf der „Fury Road“ den cineastischen Tod sterben wollen, sich vermutlich um zumindest einen Gutteil des Filmspaßes gebracht sehen, wenn ihnen eine Vielzahl von Kern-Szenen schon im Abspann des Vorgängers vor Augen geführt werden. Und ihnen dann eine darauf erst noch folgende unbefangen-unbefleckte Erst-Sichtung von „Fury Road“ wohl mehr als nur ein wenig vergällt werden dürfte. Ganz im Ernst, welcher Film-Teufel Miller da geritten hat, dürfte wohl nur er selbst wissen. Zum Haareraufen unerklärlich, zum Kopf-gegen-die-Wand-Knallen frustrierend. Da müsste eigentlich sogar noch ein director’s cut mit komplett schwarzem Abspann ohne derart absurden Murks her. Denn das hat „Fury Road“ nun wirklich nicht verdient.