„Remember me?“
„Furiosa: A Mad Max Saga“
(George Miller / 2024 / Kino (DCP) / englischsprachige Originalversion / Sechstsichtung)
"In the soil of our sadness
Hear our hearts bell a serenade
A faint choir tenderly shaping
A lament / A hollow refuge
In the blood of the twinkling sky
Breathing in / Air drunk dry
There was once a time of rapture
All is lost / A pale gleaming"
(Siouxsie And The Banshees, „Rhapsody“)
Ein letztes Mal noch das Bass-satte, tief dröhnende Knattern des von Mary Jabassa erbeuteten „Thunderblack“-dirt bikes in den Gehörgängen wummern hören.
Ein letztes Mal noch dem stechend-durchdringenden, bis auf den Grund meiner Seele starrenden Blick aus Anya Taylor-Joys Augen standhalten.
Ein letztes Mal noch Chris Hemsworths derangiert-debiles Grinsen eines sadistischen Wahnsinnigen halb belustigt bewundern, halb davon angewidert und abgestossen sein.
Ein letzter langer Blick von hoch oben in der Citadel über die postapokalyptische Ödnis des australischen Outbacks.
Ein letztes Mal noch Zeuge sein, wie „the darkest angel of all“ mit dem Cranky Black über die Dünen brettert, um endlich den Mann zur Strecke zu bringen, der ihr einst Alles nahm.
Ein letztes Mal noch all diese Emotionen mit ihr durchleben, all die triste Verzweiflung, endlose Verlorenheit, tiefe Trauer, unbändigen Zorn und grimmige Entschlossenheit fühlen.
One last time taking this wild ride through the wasteland of a lost soul.
Es war die allerletzte Hamburger Vorstellung der Originalversion von „Furiosa“ am vergangenen Samstag nachmittag, dem 22. Juni im „Savoy“-Kino. Ehrensache, dass auch ich noch einmal im Kinosessel Platz nahm, um ein nun wirklich letztes Mal dem trostlos-archaischen Rachedrama beizuwohnen. Ein endgültig finaler Kino-Besuch, der sechste innerhalb eines Monats. Wobei diese abschliessende Sichtung von allerlei Unannehmlichkeiten, verursacht durch rücksichtslos sich verhaltende Besucher:Innen geplagt war. Das fing bereits damit an, dass ein Pärchen direkt hinter mir die erste Viertelstunde des Films meinte, sich lautstark unterhalten zu müssen. Bis zur Ankunft in Dementus’ Lager hab’ ich es noch still ertragen, dann aber platzte mir endgültig die Hutschnur, ich stieg kurzerhand über die Sitzreihe hinweg, und bedachte die Sabbelköppe mit meinem Standardspruch für solcherlei Situationen („Entschuldigung, aber wenn ihr euch schon die ganze Zeit unterhalten müsst, wärt ihr dann wenigstens so nett, zu flüstern? Denn wenn ich den Film mit Audiokommentar hätte sehen wollen, dann hätte ich auf die Blu Ray-Veröffentlichung gewartet!“ (Allerdings auf Englisch, die Beiden waren nämlich native speakers)). Das funktioniert eigentlich so gut wie immer, und auch da war dann endlich Ruhe. Dann ging’s aber noch damit weiter, dass der Typ vom Pärchen in der Kuschelloge links neben mir, alle fünf bis zehn Minuten mal auf sein Handy starrte, was natürlich dazu führte, dass man durch das helle Display-Licht jedes Mal krass abgelenkt wurde. Bei der Kampf-Sequenz mit Octoboss’ Bande und dem war rig erbarmte er sich dann aber eeeendlich von selbst, und hörte damit für den Rest des Films auf. Problem nur: So ziemlich genau mit dem Anfang von Kapitel 5 („Beyond Vengenance“), und damit quasi den gesamten Showdown über, tat es ihm die Tusse vom Pärchen genau vor mir gleich, und glotzte ab da quasi unterunterbrochen nur auf ihr Smartphone-Display… Aaaaaargh!!! Als einzigen Ausweg, mir durch solch rüpeliges Verhalten nun nicht auch noch das ganze Finale vermiesen zu lassen, wusste ich nur zwei der ledernen Fusshocker aufeinander zu stapeln, damit dadurch ihr doofes Display-Leuchten aus meinem Sichtfeld verbannt war. Was allerdings dazu führte, dass sowohl sie als auch ihr Partner / Freund sich ziemlich heftig erschreckten. Naja. Hab’ mich dann erstmal dafür entschuldigt, das hatte ich ja auch nicht gewollt. Aber irgendwo ist dann auch mal Schluss. Derlei Verhalten hatte ich bisher und einem solchen Ausmaß im „Savoy“ noch nicht erlebt. Hoffentlich bleibt das auch bis auf Weiteres eine absolute Ausnahme. Ihr seht also, ich hatte es bei meiner abschliessenden „Furiosa“-Kinosichtung nun wirklich nicht gerade leicht. „Aber dennoch hat sich LaXXXe ganz köstlich amüsiert.“ Nein, im Ernst: Auch von solch nervigem Ärger lasse ich mir den Spaß selbstschreibend nicht verderben. Wäre ja auch noch schöner.
Ganze sechs Mal habe ich „Furiosa“ binnen eines Monats gesehen. Damit ist er nun on par mit „Fury Road“, und stehen die Beiden in Sachen „Anzahl von Kinosichtungen“ zusammen auf Platz 2 meiner persönlichen Hit-Liste - immer noch weit hinter „Les Amants du Pont-Neuf“, aber wie weiter oben schon erwähnt: Wäre „Furiosa“ noch länger gelaufen / öfter im Kino zu sehen gewesen, ich hätte ihn bestimmt mindestens dreizehnmal geschaut. Insofern isses wohl doch ganz gut, dass ich da jetzt in der Hinsicht wohl nicht mehr in Versuchung kommen werde…
Gibt es denn nun noch irgendetwas Neues zum Film zu berichten, dass ich nicht schon in den Texten zu meinen vorhergegangenen Sichtungen erwähnt oder geschrieben hätte?
Eigentlich nicht.
Und würde ich jemals genug oder überhaupt die angemessenen Worte finden können, egal, wie lange und viel ich hier auch schreiben und tippen würde, um das Ausmaß und die Tiefe meiner grenzenlosen Liebe zu „Furiosa“ auch nur ansatzweise adäquat ausdrücken zu können?
Selbstverständlich auch nicht.
Alles, was mir bleibt, ist nur, noch ein weiteres Mal zu sagen, ähem, schreiben, wie unglaublich dankbar ich George Miller, Anya Taylor-Joy, Chris Hemsworth, Alyla Browne, Charlee Fraser, Tom Holkenborg, Simon Duggan, Eliot Knapman, Margaret Sixel, und der gesamten cast and crew bin, für das Geschenk, ja, das Wunder, welches dieser Film in meinen Augen ist. Für all die tiefe und überquellende Liebe, die ich in meinem kleinen Cineast:Innen-Herzen für ihn verspüre. Für das Wechselbad all dieser Empfindungen, die er bei jeder weiteren Sichtung aufs immer wieder Neue in mir geweckt hat. Für die Schönheit all dieser hell leuchtenden Bilder, die sich unvergesslich und unauslöschlich in meine Netzhaut und mein persönliches Filmgedächtnis eingebrannt haben.
Für Alles, was er mir bedeutet.
And that’s a lot.
Ich kann es gar nicht sagen.
„Remember me?“, diese zwei Worte fragt Furiosa in beiden Filmen - sowohl am Ende des nach ihrer Figur betitelten Endzeit-Rache-Westerns, als auch im finalen Kampf von „Fury Road“, kurz bevor sie Immortan Joe seine Atemmaske und gleich noch das ganze Gesicht mit dazu abreisst. Eine warnende Mahnung an alle patriarchalen Despoten, ein grimmig-unnachgiebiges Sich-Selbst-immer-wieder-ins-Gedächtnis-Rufen. Eine Frage, die, nach all den Jahren des stillen Leidens, der inneren Seelenqual, des Sich-Selbst-Verlorengegangenseins in diesem wasteland der Humanität, nach all dem unterdrückten Zorn, im Grunde genommen keiner Antwort bedarf. Eine Frage, die in beiden Filmen - und auch im gesamten franchise selbst - noch lange nachhallt.
But honestly, after all of this, how could I ever forget her?
„And I have seen all I want to
And I have felt all I want to
But we can dream all we want to“
(Siouxsie And The Banshees, „Rhapsody“)
Bleibt am Ende nur noch eine letzte Frage: Wie ekelig und absolut widerlich muss ein gammelig-steinharter Pfirsichkern schmecken, den man jahrelang im eigenen verfilzten Haupthaar mit sich rumgeschleppt hat, und den man sich zwecks Erinnerung an Alles, das man verloren hat, und eigener Selbst-Ertüchtigung für Alles, was man zu tun beabsichtigt, from time to time immer wieder mal in den Mund steckt, und genüsslich dran rumlutscht? Bäääh Igitt-Igitt! Pfui Teufel!