„I want to say ‚Goodbye‘, but I don’t know to whom.“
„Hope And Glory - A Mad Max Fan Film“
( Erik van Schoor & Adrian Martin / 2024 / Kino (DCP) / englischsprachige OV / Erstsichtung)
Da ich ja schon vor dem 18. Juni wusste, dass „Hope And Glory“ als „Vorfilm“ zum hundertsten „Film Club“ Main Event im Kino laufen würde, hatte ich mir die Sichtung bis zu ebenjenem Datum aufgehoben, und mir nur ein kurzes Durchskippen des youtube-uploads gestattet… und ja, das hat sich mal richtig gelohnt. Auf grosser Leinwand macht eben (fast) Alles mehr her - auch ein gut 70.000 $ (oder waren’s doch € ? Hab’s nicht genau mitbekommen, war beim Saal-Q&A nach dem Film an der Theke, zwecks Bierkauf für „Fury Road“) teurer Fan-Film. An arduous labor of love (der Streifen brauchte immerhin gut drei Jahre bis zur endgültigen Realisation) von einer Handvoll „Mad Max“-Hardcore-Fans, die noch mal ein Gutteil durchgeknallter und filmverrückter als meine Wenigkeit sein dürften (ja-ha, auch sowas soll’s tatsächlich geben…), und diesen ihren nerdigen Fanatismus aber statt wie ich bloß in schnöden, haspeligen Buchstabensalat in bewegte und bewegende Bilder zu übersetzen wissen. Wie auch immer, an einen ausdrücklich als Hommage an Millers Filmreihe angedachten, unter schwierigen Umständen verwirklichten Fanfilm, der mit nur wenig bis so gut wie gar keinen finanziellen Mitteln entstand, sollte man selbstverständlich nicht dieselben Maßstäbe anlegen wie an einen professionell gedrehten Multimillionen-Dollar-Streifen, welcher mit einer Crew von hunderten Mitarbeiter:Innen verwirklicht wurde. Insofern war das, was wir da am Dienstag abend vor gut zwei Wochen im „Savoy“ zu sehen bekamen, wirklich ausserordentlich beeindruckend, und sieht man dann auch über einige kleinere Holprigkeiten in Sachen Schauspiel, Intonation (aber nicht beim Hauptdarsteller, der war in Sachen stimmlicher Ausdruck nämlich absolut formidabel - dazu komme ich dann später noch ausführlicher) und manchen Kamera-Einstellungen hinweg (dass die keine Dolly-Fahrten machen können, ist ja eh klar). Das Alles ist aber absolut lächerliches und vollkommen zu vernachlässigendes Pille-Palle, wenn man sich dann mal ansieht, was das Team da auf die Beine gestellt und auf die grosse Leinwand gezaubert hat - und das ist wirklich und wahrhaftig so unglaublich viel. Man sieht und spürt in jeder Einstellung, in jedem einzelnen frame, wieviel an Schweiß, Herzblut und filmischer Liebe in diesen Streifen geflossen ist… von daher war es mehr als nur hochverdient, dass die Macher:Innen auch in Hamburg die Gelegenheit bekamen, ihr Werk vor ausverkauftem Haus und auf der Kino-Leinwand präsentieren zu können - denn da gehört es auch hin. Der Film erzählt more or less die Story des Prequel-Comics zu „Fury Road“, bzw. genauer der beiden Ausgaben, die zeigen, wie Max zu seinem „neuen“ V8 kommt (welchen er im Film allerdings schon von Anfang an hat), und dabei dann auch Glory aus den Fängen der Buzzards befreit. Wobei „Hope And Glory“ auch diverse Anleihen beim 2015er-Videospiel (in dem die beiden Frauen ja auch vorkommen), Millers Film aus dem selben Jahr und vor Allem auch „Mad Max 2“ macht. Die spärlich, dann aber auch umso effektiver eingesetzten CGI stehen dabei denen aus „Furiosa“ in meinen Augen um nichts nach, bzw. falls doch, dann ist mir das completely fucking scheissegal. Allein schon deshalb, weil derlei Niggeligkeiten für mich selbst noch nie die Qualität eines Films ausgemacht haben. Was für mich zählt, ist first and foremost immer der emotionale impact - und ebenden liefert „Hope And Glory“ mit seiner über den Zeitraum einer knappen halben Stunde geschilderten, grimmig-düsteren Endzeit-Elegie voll ab. So manches Mal blieb mir dabei der Mund offen stehen… bereits zu Beginn, wenn Max mit seinem V8 an den wie Spielzeuge eines Riesenkindes mitten in der Wüste hingeworfenen Schiffswracks vorbeifährt (ein Anblick, der auch im video game vorkommt, und mich immer an eine Doku über das allmähliche Verschwinden des Aralsees, welche ich vor Jahrzehnten mal gesehen habe, erinnert), sieht das einfach unfassbar gut aus. Allerspätestens zur Mitte des Films, als wir in der sunken city ankommen, dachte ich mir beim Anblick der verlassenen und verfallenen skyscraper : „Das haben die jetzt nicht wirklich auch noch gemacht…“ Tolle Bilder, großartige Make Up-Arbeit, liebevoll ausgearbeitete Kostüme, zwei in Eigenarbeit erstellte V8 Interceptor-Modelle, eine stimmungsvolle Ausleuchtung und viele ikonische Kamera-Perspektiven… es ist kaum zu ermessen, wie viele hunderte, vermutlich sogar tausende Arbeitsstunden da reingesteckt worden sein müssen. Das sieht man dem fertigen Endprodukt aber auch an. Jedes allerkleinste Detail und jedes noch so unbedeutend wirkende Fitzelchen sind hier in mühevoller Handarbeit und mit wohldurchdachter Überlegung erstellt, platziert und abgefilmt worden. Und auch der superbe Soundtrack und das eindrückliche Sound Design verfehlen ihre Wirkung nicht. Der Publikums-Applaus nach dem Filmende hätte von mir aus gerne noch um Einiges lauter sein und länger andauern können. Eine schöne Sichtung, und ich hoffe sehr, dass der Film noch öfter im Kino zu sehen sein wird. Verdient hätte er es allemal. So etwas Wundervolles und mit soviel Liebe Gemachtes darf einfach nicht nur auf youtube versauern. Das gehört in die große weite Welt, wo es auf der Leinwand von möglichst vielen Menschen angesehen werden sollte. Alles Andere wäre eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.
Nach dem main feature standen die Regisseure und die Make Up-Künstlerin, sowie ich glaube auch der Kameramann (kann mich da aber auch irren, hab’ nun auch nicht jede:n Anwesende:n gelöchert, welche Funktion er oder sie nun innehat, oder auch nicht) dann noch für Selfies, Autogramme auf den mitgebrachten Postern oder auch entspannten Plausch zur Verfügung… und ja, die Gelegenheit habe ich natürlich auch genutzt. Wobei meine in einem weiter oben stehenden post gemachten Ausführungen, dass ich sie eine gute Viertelstunde in Beschlag genommen hätte, zwar einerseits zutreffen, andererseits aber auch nicht nur ich allein sie vollgequasselt habe… das war mehr so ein locker hin- und herdiffundierendes Grüppchen von drei, vier, manchmal auch fünf Personen gleichzeitig. Dem Co-Regisseur Erik Van Schnoor bin ich dabei am Meisten auf die Nerven gegangen (die Make-Up-Dame war zu dem Zeitpunkt auch schon weg, hatte also Glück, dass ich ihr nicht mehr auf den Zeiger gehen konnte…). Ich hatte ihn gefragt, ob die Szenen mit dem Chainsaw Buzzard vielleicht als eine nicht ganz so versteckte Hommage an „Texas Chainsaw Massacre“ gedacht wären, was er auch bejahte. Laut seinen Ausführungen hatte die ganze Kampf-Szene ursprünglich wohl auch um Einiges blutiger sein sollen, was dann aber aus irgendwelchen Gründen, die ich entweder gerade nicht mehr erinnere, oder aber er auch gar nicht näher ausgeführt hat, nicht so ganz hingehauen hat. Max sollte zum Ende des Kampfes jedenfalls eigentlich richtig böse zerschnetzelt sein. Er sagte dann noch, dass er auch stark von der „Indiana Jones“-Reihe beeinflusst sei, und auch dieses franchise bei den Höhlen-Szenen des Buzzard-hide out habe zitieren wollen. Woraufhin ich ihn dann erstmal nach seinem Lieblings-Indy-Film fragte (Antwort: „Früher wäre es wohl „The Last Crusade“ gewesen, inzwischen sei aber „Temple Of Doom“ (ist auch mit Abstand mein allerliebster Teil der Reihe, wogegen ich „Last Crusade“ immer ein bisschen langweilig finde, trotz des tollen Endes) in seiner Gunst stetig gewachsen“). Als nächstes Projekt plant er wohl, einen Horrorfilm zu drehen (möchte scheinbar auch Mittel der Filmförderung dafür beantragen, weiss aber natürlich auch, dass ein solches Unterfangen gerade auch hier in Deutschland nicht ganz unproblematisch ist). Ob nun mit dem zweiten Co-Regisseur Adrian Martin, oder nicht, oder auch noch mit Anderen aus der „Hope And Glory“-Crew, habe ich ihn dann nicht mehr gefragt. Es war dann auch schon recht spät, halb zwölfe bereits durch, und da wollte ich den Leuten dann auch endlich mal etwas wohlverdiente Ruhe gönnen. Sehr sympatische und kommunikative Zeitgenossen aber, allesamt.
Ach ja, beinahe hätte ich’s vergessen: Ich hatte Erik Van Schnoor (der Name wird immer besser, je öfter man ihn ausspricht / hinschreibt) ja noch gefragt, ob sie diese tiefe, kratzige Stimme von Hauptdarsteller Daniel Grave (auch das ein überaus lautmalerischer Nachname, zumindest, wenn man ihn englisch ausspricht) nachsynchronisiert haben, oder aber der tatsächlich so dermaßen eindrücklich gesprochen hat. Er meinte daraufhin, dass Grave sich sehr intensiv mit seiner Rolle auseinandergesetzt hätte, und sich dann dazu entschlossen habe, so zu sprechen wie jemand, der seit ewig langer Zeit nicht mehr geredet habe. Daher diese schraddelig-intensive Aussprache.
„Don’t breathe!“
„Mad Max: Fury Road“ ( George Miller / 2015 / Kino (DCP) / englischsprachige Originalversion )
Nach dem tollen „Hope And Glory“-screening dann also die mittlerweile auch schon hundertste Ausgabe des „Film Club“ (wo allerlei Klassiker, hauptsächlich aus den Siebzigern, Achtzigern und Neunzigern, in der Originalversion ihre Wiederaufführung auf der grossen Leinwand erleben… ach ja, was hab’ ich da in den vergangenen zehn Jahren nicht Alles (noch mal oder auch zum allerersten Mal) im Kino sehen dürfen, wieviele schöne Stunden im Dunkel des Kinosaals mit allerlei Lieblingsfilmen, cineastischen Perlen und Highlights der Film-Dekaden des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts verbracht). Von „Film Club“-master mind und Haupt-Organisator Ed als „the best action movie of the last twenty years“ ( das „action“ hätte er sich dann, wenn’s nach mir gegangen wäre, aber auch sparen können - für mich ist das nicht nur einer der besten Filme des bisherigen Jahrhunderts, sondern vermutlich überhaupt) angekündigt, war ich dann doch etwas skeptisch, ob ich mir diese erneute (mittlerweile auch schon sechste) Kinosichtung nach sovielen Jahren (ich glaube, zum letzten Mal hatte ich „Fury Road“ anno 2017 gesehen, auch damals sowohl im Savoy, als auch im Rahmen des „Film Club“ (allerdings nicht als main event, sondern „nur“ als special screening)) durch zwei Heimkino-Sichtungen innerhalb weniger Wochen nicht vielleicht selbst ein wenig kaputt gemacht haben könnte, und ich darob schlichtweg übersättigt im Kinosessel vor mich hinvegetieren würde… aber nein, natürlich weit gefehlt. Von der opening sequence, in welcher der zottelige Zausel-Max von den war boys gefangen genommen und in die Citadel verschleppt wird, über den ersten, ikonisch-brillanten Auftritt von Charlize Theron als Imperator Furiosa, die nie enden scheinende Verfolgungsjagd durchs Felslabyrinth der Canyons und den verschlammten Sumpf, Furiosas niederschmetternden Zusammenbruch angesichts der Vergeblichkeit, den verlorenen green place ihrer Kindheitstage jemals wiederfinden zu können, bis zur Umkehr und abermaligen high speed chase, und dem blutig-brutalen Endkampf - „Fury Road“ ist einer dieser wenigen Filme, derer ich wohl nie überdrüssig werden dürfte, und die mich auch beim -zigsten Anschauen beinahe immer noch genauso flashen, wie beim allerersten Mal. Ich glaube, den kann ich auch in zwanzig, dreissig Jahren noch so geniessen, wie vor gut neun Jahren bei der Erstsichtung. Ein wundervolles Wiedersehen mit einem wahrlichen Meisterwerk, da, wo ein solches filmisches Juwel seine Wirkung nun mal am Allerbesten entfaltet: Auf der ganz grossen Leinwand. Und die zwei Stunden Laufzeit vergingen wieder mal wie im Flug, und waren fast schon zu schnell wieder vorbei. Was für ein betörender Bildersturm und energiegeladener filmischer Wirbelwind, wie es ihn wohl kein zweites Mal gibt. Und dazwischen dann immer auch diese behutsam eingestreuten ruhigen Momente, in deren schlichter Anmut man einfach nur versinken möchte, und die in ihrer kontemplativen Aufrichtigkeit umso intensiver nachwirken.
„Don’t breathe!“, sagt Furiosa zu Max, als sie, das sniper rifle im Anschlag, und nur noch eine allerletzte Kugel im Lauf, mittels seiner Schulter den herannahenden Bullet Farmer anvisiert. Aber wie könnte ich auch, bei all dieser atemberaubenden, beinahe schon animalischen Urkraft dieses Bewegtbild gewordenen, jede Körperzelle durchflutenden filmischen Adrenalinrausches?
Während des Abspanns habe ich mich dann noch sehr intensiv mit meinem Sitznachbarn zur Rechten ausgetauscht. Er war - genau wie ich selbst auch - hellauf begeistert. Allerdings hatte sein Enthusiasmus noch einen anderen, weitaus triftigeren Grund: Für ihn war es in der Tat das allererste Mal, dass er „Fury Road“ auf einer richtig grossen Kino-Leinwand erleben durfte.
Ich habe ihn fast ein bisschen darum beneidet.