Sehr gut. Hatte mich schon gewundert, dass der hier bisher noch gar kein Feedback bekommen hat.
Ich war letztes Wochenende zu The Killing of a Sacred Deer. Und obwohl er an einem Samstag zur Prime Time lief und das Wetter (beschissen) dementsprechend mitspielte, war ich trotzdem überrascht, dass das kleine Programmkino bis auf den letzten Platz besetzt war. Sogar Klappstühle wurden noch bereit gestellt, um dem Andrang gerecht zu werden. Sehr schön, dass sich die Leute noch aufmachen, um einen Film in der Originalversion zu sehen. Gerade bei diesem Streifen nicht selbstverständlich.
Im Anschluss musste ich mir dann direkt noch Alpen ausleihen. Wenn man schon mal in Lanthimos Stimmung ist, dann gleich die volle Dröhnung.
The Killing of a Sacred Deer
Gut, ich war schon darauf gefasst, dass Lanthimos nicht mal im Traum daran denkt, einen Film zu drehen, der auch nur im Ansatz gut konsumierbar sein könnte. Mit einem derartigen Brett hatte ich dann allerdings nicht gerechnet. Für mich definitiv sein schwerster Film. Er treibt seine eigenen Trademarks mit aller Gewalt auf die Spitze und serviert dem Zuschauer eine Brocken, der wie Blei im Magen liegt. Dabei ist The Killing of a Sacred Deer im ersten Drittel vor allem eins: zäh. Man hat zu kämpfen, um nicht den Anschluss zu verlieren. Alle Figuren sind - wie bei Lanthimos üblich - seltsam apathisch, Emotionen als solche sind kaum auszumachen, robotergleich wandeln sie durch ihren Alltag. Von Sympathie kann des Weiteren keine Rede sein, jeder Einzelne ist seltsam verachtenswert und im Grunde ist es einem egal, was passiert. Eigentlich, denn mit zunehmender Laufzeit wird langsam aber sicher an der Spannungsschraube gedreht und der eigene Herzschlag geht deutlich nach oben, als die Katze aus dem Sack ist und die Downward spiral beginnt, sich in Bewegung zu setzen…
Man kann schwer beschreiben, warum man bis zum Ende sitzen bleibt. Irgendwas hat auch dieser Film wieder an sich, dass einem das Blut in den Adern gefriert und die Spucke wegbleibt, obwohl einem bis zum diesem Zustand ordentlich Steine in den Weg gelegt werden. Wer bisher nichts mit den Streifen des Griechen anfangen konnte, sollte einen großen Bogen um seine neueste Arbeit machen, denn selbst Fans wie mich hat er damit arg auf die Folter gespannt. Dabei entlohnt Lanthimos am Ende reichhaltig, denn als Gesamtwerk betrachtet ist The Killing of a Sacred Deer schon wieder unglaublich, vor allem der Score ist schlicht fantastisch. Allein die Eingangssequenz hat bei mir extreme Gänsehaut ausgelöst. Im weiteren Verlauf weiß die Musik genau die Akzente zu setzen, um das eigene Unbehagen ins Unermessliche steigen zu lassen. Auch schauspielerisch kann man nicht meckern, Farell und Kidman ohne Makel und vor einer derart unheimlichen Leistung wie die von Barry Keoghan kann man nur den Hut ziehen. Die Wertung fällt schwer, ich mache es mir mal einfach und sage fürs Erste:
-/10
Alpen
Wo wir schon bei ungemütlich sind. Die Story des dritten Films von Lanthimos ist so ungewöhnlich wie merkwürdig: eine kleine Gruppe von Leuten hat es sich unter dem Namen Alpen zur Aufgabe gemacht, trauernden Menschen zu helfen, indem sie die Rolle der verstorbenen Person einnehmen und quasi den normalen Alltag vor ein paar Stunden in der Woche wieder zum Leben erwecken. Was zunächst wie eine gute Idee klingt, entpuppt sich im Film zu einer wahnsinnig unangenehmen und sehr schmerzhaften Erfahrung… für den Zuschauer. Viele Szenen zwischen den Alpen-Leuten und den trauernden Personen sind derart holprig und unbeholfen, dass man sich im wörtlichen Sinne peinlich berührt fühlt. Und auch wenn es nur ein “Nebenjob” ist, gerade die Krankenschwester (im Film bleiben die Namen der Hauptakteure unbekannt) bekommt zunehmend Probleme, Arbeit und Privates zu trennen. Jene wird übrigens von Angeliki Papoulia gespielt, die schon in Dogtooth und The Lobster tolle Leistungen ablieferte. Alpen macht traurig. Hilflosigkeit ist angesagt, man leidet mit den Trauernden ebenso wie mit denen, die das Leid lindern wollen. Denn Jene ersticken selbst an ihrer eigenen Einsamkeit und können dieses Loch auch durch ihren Einsatz (übrigens gegen Geld) nicht füllen. 90 Minuten Beklemmung. Man ist irgendwie froh, wenn der Abspann läuft…
7/10