Nippon Connection Filmfestival 9.-14.6.2020

Ein neuer Film von Sabu (Hiroyuki Tanaka), weckt immer meine Neugier. Bislang hatte jeder Film von ihm den ich sah Originalität und großen Unterhaltungswert. MONDAY, BLESSING BELL, MISS ZOMBIE und MR. LONG sind allesamt Ausahmewerke in der Filmlandschaft und innerlich bei mir immer noch als Geheimtipps verbucht. Sicher ist die Bekanntheit des Regisseurs mittlerweile größer.

DANCING MARY fängt so unglaublich gut an, in Bezug auf Editing, Sounds, Bildauswahl und Timing :joy:, das man gar nicht anders kann als hierin den Beginn eines Meisterwerk zu sehen und meine Erwartungen blitzartig in die Höhe schossen. Leider kann der Film dieses starke Niveau nicht halten. :roll_eyes:
Als wenn SABU beschlossen hätte, er brauche kein solch hochwertiges cinematografisches Kino für eine Geschichte die Spaß machen soll, kommt es dann leider auch so, das nach ca. 30 Interesse weckenden Minuten des Story Aufbaus, einiger humorvoll-intelligenter Szenen und des Erscheinens sehr unterschiedlicher kurioser Protagonisten die Inszenierung nicht mehr mit der Idee dahinter mithält. Ja auch inhaltlich zeigen sich Schwächen. Szenen fangen an belanglos zu wirken, intelligenter Humor mutiert zu Blödelei und raffinierte Schnittsequenzen und dynamische Abfolgen werden einem gewöhnlich-gemächlichem Erzähltempo geopfert.

Die Idee wechselnde Farb- und s/w Bilder für die Erzählung der Story zu verwenden ist gut, genau wie der Wechsel der Zeitebenen, in denen sich dann auch noch eine wunderschöne, atmosphärisch-nostalgische Sequenz von großer Intensität zeigt. Dies reicht aber leider nicht, um an das Anfangsniveau anzuknüpfen.

Subjektiv hatte ich Schwierigkeiten mit dem Hauptdarsteller und dessen im Film dargestellten Charakter. Bis zum Schluss gelang es mir irgendwie nicht die grundlegende Sympathie aufzubauen, die mein Interesse, seinem Weg zu folgen, stark genug hätten werden lassen. Auch die qualitativ zunehmende Endphase wird duch eine mir unverständlich überzogene Sequenz des Drehbuchs wieder geschmälert, bei der ich das Verhalten des Hauptdarstellers für total überzogen hielt.

Thematisch werden wir, wie so oft im japanischem Kino, mit dem Tod konfrontiert und der Idee von der Seele, die ihren Frieden finden will/muss. Unterschwellig finden sich auch Themen der Schuldfrage und Vergebung.

Wenn sich SABU dazu entschieden hätte seiner MARY auch im Verlauf weiterhin einen größeren Stellenwert zuzubilligen, und mit Hilfe des Editing und Pacing Potenzials eine stärkere Verbindung zwischen Moderne und Nostalgie zu schaffen, dann wäre DANCING MARY das Meisterwerk geworden, das sich in den ersten 5 Minuten andeutet. Stattdessen macht er einen auf SION SONO. So kann der Film dann dennoch Spaß machen, er empfiehlt sich evtl. für eine Zweitsichtung und ist allein wegen seines Intros ein Must See auf der Nippon Connection. Aber was für ein Potenzial wurde hier in meinen Augen verschenkt. :slightly_smiling_face: :slightly_frowning_face: :slightly_smiling_face: :slightly_frowning_face: Dancing Mary

AFTER THE SUNSET ist ein eher ruhiiges, gelungenes, gut geschauspieltes und sicher inszeniertes Drama zum Thema Familie. Behandelt wird das spezielle Thema der Adoption. Und ich muss sagen, der Film ist richtig aufwühlend, damit hatte ich nicht gerechnet. Das idyllische Insel Setting funktioniert hierbei als schöner Spiegel der Familie in einer größeren Dimension. Seitens des Drehbuchs findet sich eine interessante, nicht unbedingt vorraussehbare Idee, die die Charaktere vielschichtiger werden lassen als anfangs zu vermuten. Obendrein ist AFTER THE SUNSET auch ansprechend fotografiert und in Szene gesetzt.
Das Ende, die Lösung, die der Film für sein Problem findet ist sicher diskutabel und ethisch nicht ganz einwandfrei, auch wenn es so scheint. Ein wirklich gutes, empfehlenswertes Familiendrama, welches sich kürzer anfühlte als 133 Minuten. :family_man_girl_boy:

Hab mir „Under your bed“ jetzt auch angesehen, war für mich eher ein ruhiges Drama über häusliche Gewalt, nicht wirklich mit den beiden anderen „Unterm Bett“ Filmen vergleichbar die auf dem FFF damals liefen. Der Stalker war diesmal immerhin der Held, auch mal was neues.

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Danke @Kumiho für deinen Hinweis auf das „Far East Film Festival“, den man hier nachlesen kann.

Im FEFF-Programmheft (siehe Kumihos Eintrag), sind auch einige Filme der diesjährigen Nippon Connection vertreten:

Labyrinth of Cinema“ (Special Screening)
i - Documentary of the Journalist“ (Documentaries)
Minori, on the Brink“ (Japan)
My Sweet Grappa Remedies“ (Japan)

Ich müsste eigentlich mal meinen Keller ausmisten, aber vor lauter Online-Filmfestivals wird das momentan nix… :innocent:

@FrankThe World of Kanako“ hat mich in der ersten Stunde extrem beeindruckt! Die ungewohnte Ästhetik, Musik und fragmentierte Erzählweise haben ich total in den Film gezogen und mei… äh… den Geisteszustand der Hauptfigur perfekt unterstrichen. In der zweiten Hälfte wurde es mir etwas zu viel mit den übertrieben inszenierten Gewaltszenen. Eigentlich war die Entwicklung der Hauptfigur zum Ende hin sehr emotional angelegt, was der audiovisuelle Overkill (zumindest für mich) aber überlagert hat. Mehr stilistische Zurückhaltung (bei aller Liebe zu Tarantinos früheren Filmen, die man dem Film anmerkt) hätte aus meiner Sicht die Wirkung des letzten Drittels verstärkt. Für Asia/FFF-Fans aber natürlich Pflicht!

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Falls Interesse besteht habe ich zu dem besonderen Review The Whispering Star ein paar Spoiler freie Worte geschrieben, nachdem ich den Film 2016 auf dem Japan Filmfest HH gesehen hatte. Denn wie bei KANAKO kann es von Vorteil sein wenn man zwecks Abgleich mit der eigenen Stimmung zumindest eine vage Vorstellung von der Stimmung des Films hat. Informationen z.B. solcher Art das man bei WHISPERING STAR die ersten 3 Minuten einen tropfenden Wasserhahn sieht und hört. :laughing:

Weitere kurze Hilfestellung auf den letzten Metern kann ich zu MISS HOKUSAI geben, ebenfalls aus einem älteren Post aus 2016 Review Miss Hokusai.

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Aw, „The Whispering Star“!! Ein wunderschöner Film, über den man eigentlich kaum spoilerfrei schreiben kann. Mit Sicherheit der am zurückhaltendsten inszenierte „Sono“, den ich bisher gesehen hab, fast ganz in Schwarz-weiß, eine sehr persönliche/schwermütige/vorstellbare Vision unserer Zukunft, deren Intensität (verstärkt durch Szenen an Originalschauplätzen im Schutzbereich um Fukushima) mich heute erneut in den Sake-Konsum getrieben hat. Schönerweise ist der Film trotz der Thematik von einem angenehmen Sinn für Humor durchzogen (man denke z.B. an das Raumschiff-Design oder den Bordcomputer :joy:). Bisher wohl mein Lieblingsfilm der aktuellen Nippon Connection.

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Heute 100 YEN LOVE gesehen. Schreibe ich später noch etwas dazu. Indieperle! Mit Blues und Rock Gitarre. Anschauen!

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Okey cool thx :slight_smile:

Falls jemand last-minute Tipps hat, bitte posten! Filme, die man heute bis kurz vor Mitternacht ausleiht, kann man noch 24 Stunden lang ansehen, yayy

Beautiful Goodbye … zombie road movie love story…ein-zwei ticken zu lang und langsam zwar aber wunderschön und das Ende mit ungeheurer emotionaler Wucht…

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The PIANO FOREST hatte mir gefallen damals, hatte ich ja oben schon geschrieben. Ansonsten viel gute Auswahl hier. AFTER THE SUNSET lohnt, siehe auch oben. Wenn du auf Experimental, meditativ ruhig, steril und philosophisch stehst ,mit Themen Evolution und Sex (Biologie-Fortpflanzung-Geschlechterrollen), dann kann man es mit SHELL AND JOINT versuchen. Aber der ist auch gefühlt länger, etwas anstrengend durch einige unpassend platzierte Aphex Twin artige Sounds und die 100% Empfehlung bekommt er nicht von mir…

Hat hier niemand DANCING MARY gesehen? Dazu würde ich gerne mal ein paar Meinungen hören…

Habe gerade meinen letzten Film geliehen: THE NIGHT IS SHORT, WALK ON GIRL, für morgen. Gute Nacht erstmal. Im Laufe der Woche folgt noch ein wenig Feedback.

Neben den beiden Anime habe ich mir noch House gegeben, der hat mir gut gefallen! Ich hatte noch etwas mehr Skurillität erwartet, nicht qualitativ, das hat schon gepasst, sondern quantitativ. Das Ganze konzentriert sich doch sehr auf das letzte Viertel. Aber hat sich trotzdem gelohnt, klasse Teil! :stuck_out_tongue:

Ich hätte gerne noch viel mehr gesehen, aber wenn man wegen Homeoffice eigentlich schon die meiste Zeit über zu Hause sitzt, dann hat man wenig Bock das dann noch weiter ausufern zu lassen. Nebenbei habe ich aber einige der Live Events laufen lassen, die waren sehr fein.

Heute will ich mir aber noch Fuku-chan Of Fukufuku-Flats anschauen. Wobei ich gar nicht sicher weiß, ob ich den nicht bereits kenne. Hoffe nicht.

Nächstes Jahr hoffe ich, dass man eine Mixtur aus vor Ort Entertainment und Streaming Sessions findet. Und das man bis dahin, immer Mal wieder vereinzelt Filme und Dokus aus diesem Festival zeigt.

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Okay, noch ein paar Worte zu SHELL AND JOINT. Ich mag Filme, die mit viel Ruhe und akzenturierter oder redundanter Musik ein meditativ-soghaftes Feeling aufbauen. SHELL AND JOINT war da schon auf dem richtigen Weg. Durch statische Bilder, im Wechsel gezeigte, wiederkehrende Settings und philosophische Gespräche baut sich so etwas wie eine akausale Informationskette auf. Doch so gut dies manchmal mit Hilfe der stimmungsvollen Klavier Akkorde :musical_score: geschieht, so abrupt wird der Zuschauer häufig durch unvorteilhaften Musikeinsatz aus einer sich gerade aufbauenden, meditativen Stimmung herausgerissen. Sounds mit Industrial Klängen, Break Beats, Aphex Twin artige Sounds, oft nur wenige, kurz angespielte Klänge, die hier jedoch einfach nicht passten wie ich finde. Keine leicht konsumierbaren 154 Minuten. Eine 20 minütige Straffung hätte dem Film gut getan. Viele Dialoge und einige Szenen funktionierten auch nicht so gut. Die Bildgestaltung ist zum Teil faszinierend wegen ihrer Sterilität und oft Linien betonter Symmetrie. Ein fast in weiß gehaltener Empfang, der Gang eines dieser japanischen Kapselhotels, ein Labor… Andere Szenarien sind hingegen nicht ganz so clean aber visuell dennoch einfach gehalten, wie eine Sauna, in denen sich verschiedene Menschen unterhalten oder die Fahrt einer Bahn durch eine Landschaft. Die Themen handeln von Evolution und Sex, Geschlechterrollen, Überlebensinstinkte, Verhalten in Extremsituationen usw. Oft wird auch einfach nur philosophiert, sprich allerhand Zeugs gequasselt. Der Film nimmt sich hier Gott sei Dank nicht zu ernst, im Gegenteil findet sich Humor, wenn auch sehr spezieller Natur. Lustig auch am Ende die Szene mit drei Frauen, die zu :champagne: und einem riesigen Teller Hummer die Prototypen ihrer Firma -Vibratoren- begutachten und sich unterhalten.
Hier mal ein Eindruck von der Bildgestaltung, der Trailer ist offenbar nicht mehr verfügbar.

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Puh, das war knapp! Meinen letzten NC-Film („100 Yen Love“) hab ich vorhin ca. 6 Minuten, bevor die Leihfrist endete, fertig geguckt :sweat_smile: Blegh, ich seh grad, dass ein paar Youtube-Videos der Live-Streams bereits wieder gelöscht/gesperrt wurden, die Säue! Morgen geht das Rennen gegen die Zeit also weiter… xD

Zum Einschlummern schau ich grad noch das Duo Fuga Konzert :heart::

Jetzt auch durch, noch Under the Bed reingezogen, krasses Teil! Fiel mir sichtlich schwer mich in den Stalker hineinzuversetzen. Man denkt sich die ganze nur, ALTER, MACH WAS, TU WAS!!!
Der Film versucht das zwar in gewisser Weise zu begründen, aber wie gesagt, da steckt man - zum Glück - nicht drin.

Zum Abschluss dann mit Fuku-chan Of Fukufuku Flats das krasse Kontrastprogramm, ein absoluter Wohlfühlschinken, quasi um wieder runterzukommen. Und den ich tatsächlich auch schon Mal auf der Nippon Connection gesehen hatte, mich aber nur noch an Fragmente erinnern konnte. Normalerweise sind solche Filme ja komplett chaotisch, dieser hier aber ruht völlig in sich, ist unheimlich liebevoll und gleichzeitig absolut charmant irre, wie es nur die Japaner drauf haben. Einer meiner absoluten Lieblingsfilme, den man sich immer wieder ansehen kann. So ein bisschen Die fabelhafte Welt der Amelie, nur ganz anders, aber mit ähnlich viel Herz und Kreativität :))

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Wie versprochen noch ein paar Worte zu 100 YEN LOVE. :boxing_glove: Ich fand ihn super. Eine klein budgetierte Produktion, die in der ersten Std. Wenig aufbauende Ereignisse für ihre Protagonisten bereithält, dafür umso mehr durch die Wandlung des Hauptcharakters überrascht. Er ist bei der Nippon als Komödie getaggt. Sicher hat er einige lustige Momente, und weitere Szenen die unterschwellig Humor transportieren, doch das Drehbuch beinhaltet auch ein ziemlich heftiges Ereignis dessen Folgen den Film überschatten. Außerdem zeichnet das Drehbuch nicht unbedingt ein freudiges Bild der Protagonisten. 100 YEN LOVE ist daher eher eine Dramödie, die die Erlebnisse und Umstände ihrer Protagonisten mit viel Charme und einem klasse gewählten Score aus laid back Blues Gitarren Riffs und Rockgitarre unterlegt. Klar, es ist nicht ROCKY oder ONE MILLION DOLLAR BABY aber mit begrenzten Mitteln erzählt der Film seine Geschichte einfühlsam und zeigt, das man herausfordernden, schwierigen Situationen mit Kampfgeist und Humor begegnen kann und Veränderung möglich ist. Eine Indieperle!

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Komödie? :rofl: Ich fand die erste Stunde trotz humorvoller Momente echt traurig, aber die letzten 40 Minuten waren der Hammer, ein guter Abschluss für eine tolle Nippon Connection! :ok_hand:
Oh man, 12 Filme und ein paar Live-Streams in 7 Tagen, fühle mich immer noch erschöpft. Da waren einige schwere emotionale Geschütze im Programm…
Ausgehend von „After the Sunset“, den ich Dank deiner Empfehlung zum Glück doch noch gesehen hab, denke ich, dass dir Hirokazu Kore-edas Filme ebenfalls gut gefallen werden. Neben „Shoplifters“ (OmU auf Amazon Prime) vermutlich auch „Like Father, Like Son“ (Abschlussfilm der NC 2014), in dem zwei Ehepaare erst Jahre später erfahren, dass ihre Babies kurz nach der Geburt vertauscht wurden :cry: .

Ich grüble wegen „Family Romance, LLC.“ von Werner Herzog nun schon seit Tagen darüber, was mir wichtiger ist: die Echtheit von Situationen/Interaktionen oder die Echtheit der Emotionen, die ich dabei empfinde… (P.S.: Nein, im Film kommen keine Sexbots oder Ähnliches vor :innocent:).

Im Interview erzählt Herzog Interessantes zur Entstehung des Films, an dem eine Mitarbeiterin von Nippon Connection mitgewirkt hat:

Äh, ist das jetzt nicht ein fieser Spoiler?

Steht jedenfalls in jeder Inhaltsangabe zum Film, wahrscheinlich auch auf dem Backcover der DVD. Wenn man das weglässt, darf man eigentlich gar nichts über den Film sagen.

Kann den Film selbst auch empfehlen, hat mir gut gefallen.

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